Um 9 Uhr stehen wir am Auto bereit und lassen uns von der Hotelbesitzerin zurück zum Trailhead bringen.
Es ist klasse, dass sie uns fährt, obwohl sie soviel zu tun hat. Sie unterhält dieses Hotel hier in Superior mit sechzehn Zimmern allein und dementsprechend fertig sieht sie aus. Der Vater ist, glaube ich, dement, denn er tapert einfach zwischendurch in die Zimmer und "besucht" uns. Nichts von dem, was er sagt, verstehe ich. Die Mutter spricht kaum englisch, sie hat, wie ihr Mann auch, traditionelle indische Kleidung an und beide wirken hier an diesem Ort eher verloren und fremd.
Wir sind froh darüber, dass es heute Wolken gibt, die die Temperaturen ein wenig wandertauglicher machen. Es gibt auch einige Tageswanderer, die um das beeindruckende Picketpost-Felsmassiv gehen. Es erinnert uns sehr an die Fortalezza de Chipude auf Gomera. Wir laufen auf dem AZT auch ein Stück um ihn herum, biegen dann aber irgendwann auf eine Straße ab, die durchs Tal führt und mal wieder kaum als Straße zu erkennen ist. Denn die vielen, losen Steine machen das Gehen so schwer.
Uns kommen ein paar Mountainbiker entgegen, die sich freundlich bedanken, dass wir Platz machen. Oha, die haben sich hier in diesem Gelände aber auch etwas vorgenommen.
Nach 10 Meilen erreichen wir einen Regenwassertank, der ausreichend Wasser hat und bei dem wir auch unser Zelt aufstellen. Es ist zwar erst 16 Uhr, aber der kurze Tag ist hilfreich, um etwas Kraft zu sparen. Wir sind ziemlich kaputt von den letzten Tagen oder auch Wochen. Im Moment fällt uns das Wandern, auch hier in dieser besonderen Landschaft, sehr schwer. Es ist sehr heiß, sehr trocken und die Wassersituation immer wieder kritisch. Aber heute macht es uns der "Rainwater Collector" etwas einfacher. Hahn auf, fertig.
Komischerweise kommt das Pärchen nicht mehr, das wir morgens noch gesehen hatten. Wir waren fest davon überzeugt, dass sie auch southbound gehen und wir uns heute noch treffen. Aber wir haben uns schon öfter getäuscht.
Um 5:30 Uhr am nächsten Morgen geben uns die Coyoten mal wieder ein Konzert. Es hallt unglaublich und klingt bizarr. Dieser Gesang passt aber in diese schroffe Landschaft. Wir stehen etwas früher auf und hoffen, dadurch mehr Tageslicht zu haben. Aber mit Stirnlampe zu frühstücken, das ist auch nicht so toll.
Der Weg durch die Felsen ist besonders und die Sonne tut ihr Übriges, um die Steine erstrahlen zu lassen. Mann, diese Landschaft ist so was von wild.
Ab 9 Uhr wird es allerdings schon wieder so warm, dass wir mächtig schwitzen und kaum das Gefühl haben, dagegen antrinken zu können. Wir fühlen uns nicht gut und müssen uns eingestehen, dass wir das so vielleicht nicht weiter machen können und wollen.
Der Gedanke steht erstmal da und wirkt in uns, während wir uns weiter den Weg entlang kämpfen. Wir kommen zum Gila River und füllen nochmal unsere Flaschen auf, während neben uns zwei Kühe ihre Beine kühlen und saufen. Das ist alles schon echt komisch, sich das Wasser mit den Viechern so direkt zu teilen. Leider sieht das Wasser auch sehr trübe aus. Auch der Filter schafft es nicht, es völlig klar zu machen, aber sonst gibt es hier kein Wasser. Das müssen wir nehmen. Wie immer behandeln wir es zusätzlich mit Desinfektionstropfen und hoffen, dass es dadurch genießbar wird.
Wir wandern am Flussufer weiter, bis wir am späten Nachmittag nochmals das Flusswasser auffüllen, um uns dann eine Campsite zu suchen. Es gibt wohl viele Kühe hier, aber zu unserem Zeltplatz verirrt sich keine. Ab und zu hören wir ihre Glocken, die die Kühe hier um ihre Hälse tragen. Als wir uns soweit an diesem staubigen Plätzchen eingerichtet haben und Zähne putzen, rauscht noch ein Mountainbiker auf dem Trail vorbei, mit Licht natürlich. Was ist denn das für ein Verrückter? Ich würde hier noch nicht einmal bei Tageslicht radeln wollen.
Ich schlafe in dieser Nacht wie ein Stein. Es kühlt sich aber auch merklich ab, was zum Schlafen natürlich sehr angenehm ist.
Am Morgen spurten ein paar andere Thruhiker an uns vorbei, denen scheint die Hitze irgendwie nichts auszumachen. Wir sind am Morgen immer noch wie durch den Wolf gedreht und die 12 Meilen zum Ort stehen mir bevor. Mir fehlt irgendwie die Kraft, mir ist sogar etwas schwindelig. Irgendwie sagt mir der Trail nochmal deutlich, dass ich hier wohl fehl am Platz bin. Vielleicht ist es aber jetzt auch einfach genug, auch 2Tall ist erschöpft und die Wasserknappheit und die Hitze haben auch was mit unserer Psyche gemacht.
Wir überlegen, ob heute vielleicht unser letzter Wandertag auf dem Arizona Trail war. Einfach in Kearny aufhören und nicht weiter wandern. Das wäre eine traurige Entscheidung, aber mittlerweile können wir uns das vorstellen.
Um nicht nochmal diverse Höhenmeter zu machen, nutzen wir ein Stück von den Bahnschienen als Abkürzung. Der Zug scheint nur einmal täglich zu fahren... hoffen wir. Nein, wir brauchen keinen privaten "Stand-by-me Moment". Wir gehen allerdings auch nicht über Brücken oder durch Tunnel, wir hätten jederzeit genug Platz zum ausweichen neben den Gleisen. Trotzdem nicht zur Nachahmung empfohlen.
Kurz darauf sind wir wieder auf dem Trail und dann an der Straße. Es gibt eine Wasserstelle und Stühle für Wanderer, wo wir eine Frau treffen, die wohl den Vormittag im Ort verbracht hat. Aber als wir gerade ins Gespräch kommen, fährt ein Auto auf dieser einsamen Straße vorbei und ich halte prophylaktisch mal den Daumen raus. Das Auto hält direkt an, wir hüpfen rein und fahren in die "Metropole" Kearny. Der Ort ist klein und übersichtlich und wahrscheinlich würde es ihn gar nicht geben, wenn hier nicht eine Kupfermine gewesen wäre.
Leider ist in unserem Hotel die Waschmaschine kaputt, so dass ich nach dem Duschen noch einen guten Kilometer zum Waschsalon latsche und so einen Eindruck von Kearny bekomme. So viel kann ich verraten, für einen erholsamen Urlaub ist dieses Fleckchen Erde nicht wirklich zu empfehlen.
Wir haben eine zusätzliche Nacht im Hotel gebucht und werden uns hoffentlich erholen, sortieren und organisieren können.
Wir werden berichten, wie es bei uns weiter geht.
(Good Grip, 15.11.2021)