2Tall hat einen anderen Shuttledriver gefragt, ob er uns am Sonntag Morgen von Payson zurück zum Trailhead bringt. Geduscht und mit einem einigermaßen "guten" Frühstück stehen wir um Punkt 10 Uhr sauber bereit.
Leider hatte unser Hotel keine Waschmaschine, aber direkt gegenüber gibt es einen RV Park, bei dem habe ich gefragt, ob ich waschen dürfte. Und als bedürftige Wanderin, habe ich sogar das Waschmittel geschenkt bekommen.
Um das Hotel gibt es ein nettes Café, einen Safeway und einen Sportladen, wo wir unsere Gaskartusche kaufen konnten. Am Safeway gibt uns die Kassiererin sogar einen Discount, so dass wir von Payson einigermaßen begeistert sind. Nette, freundliche Leute hier.
Aber auch diesmal ist unser Shuttle-Fahrer neurologisch auffällig. Er wackelt mit Armen und Kopf ziemlich herum und redet wie am Fließband. An was für Leute geraten wir hier? Ok, diese Shuttlejobs sind vielleicht auch speziell und werden von besonderen Leuten übernommen. Uns hilft es natürlich sehr, auch, wenn es nicht gerade billig ist. Der Mensch hier ist total lieb, aber irgendwie anstrengend.
Um kurz vor 11 Uhr starten wir wieder an dem uns bekannten Parkplatz neben dem Highway. Leider ist der Zuweg zum Trail schwer zu finden, und wir irren ein wenig durch ein trockenes Flussbett, bevor wir endlich zum AZT kommen. Es ist mal wieder eine steinige Angelegenheit, und mit der Sonne und den Höhenmetern wirds ein harter erster Tag einer sechs-tägigen Section.
Am Ende des Tages freuen wir uns auf einen hoffentlich etwas entspannteren Trailabschnitt entlang einer Straße, die aber leider nicht so ist, wie wir sie uns vorgestellt haben. Sie ist sehr steil und ausgewaschen, selbst zu Fuß wirds anstrengend, aber Fahrspuren sehen wir trotzdem, wahrscheinlich von diesen kleinen Buggys mit Vierradantrieb, die die Jäger hier nutzen. Auch unsere Campsite liegt direkt an dieser Straße, aber es kommt keiner mehr vorbei und das Wasser gibt es etwas weiter, mal wieder aus einem Wildlife Drinker. Diesmal schimmert er grün und ein paar Federn schwimmen auch darin. Diese Tanks sind in Farbe und Konsistenz wirklich sehr variabel.
Am Morgen sind es nur 4°C und wir müssen leider nochmal Wasser schöpfen und filtern. Es ist eisig und wir freuen uns, dass die Sonne so viel Kraft hat, so dass wir uns zügig warm laufen.
Wir treffen einen Northbounder, der uns ein bisschen was über die Wassersituation erzählen kann. Das hilft uns und macht unseren Weg planbarer. Nach einiger Zeit wird sogar die Straße besser und wir kommen gut voran. Einige Geländewagen fahren hier, aber sie rauschen und stauben an uns vorbei, die Leute grüßen immerhin freundlich.
An der Bear Spring nehmen wir enorm viel Wasser mit, weil es erstmal nichts mehr gibt und unser Nachtlager erst irgendwann später kommt. Ich lade vier Liter auf, 2Tall hat noch mehr auf dem Rücken. Es ist brutal schwer und wir kommen nur sehr langsam und mühsam vorwärts, weil der Weg steil, steinig und mal wieder extrem zugewachsen ist.
Einen größeren Ast übersehe ich, mein Rucksack bleibt hängen, ich verliere mein Gleichgewicht und falle. Ich bekomme Panik, weil ich weiter rutsche und das Gefühl habe, den Abhang hinunter zu kippen. Das passiert zwar nicht, aber der Schreck sitzt tief. Die paar Abschürfungen sind nicht der Rede wert, aber ich brauche lange, um den Kopf wieder frei zu bekommen.
Bei der ersten möglichen Campsite beschließen wir, noch weiter zu gehen. Sie ist zu schräg und es gibt Ameisen. Bei der nächsten Möglichkeit stoppen wir aber und bei ziemlichem Wind bauen wir das Zelt auf dem Ridge auf und versuchen zu kochen. Wir sind 16 Meilen gelaufen und fühlen uns total erschlagen. Da können auch der Blick auf den Roosevelt Lake und am nächsten Morgen ein mega schöner Sonnenaufgang nicht viel helfen. Wir sind erledigt von dem harten Terrain und hoffen natürlich immer noch, dass es irgendwann mal wieder besser wird.
Aber leider geht es am nächsten Tag genauso weiter, die Dornen reißen an uns und hinterlassen blutige Wunden an Beinen und Armen, die Füße müssen bei den vielen Steinen sehr viel leisten und unsere Konzentration muss permanent hoch sein. An einer Stelle können wir eine Dirt Road nehmen, die irgendwann wieder auf den Trail führt. Das hilft ein wenig mit, dass die Füße und der Kopf sich etwas erholen. Leider müssen wir dann zu einem Wildlife Drinker wieder etwas zurück laufen. Aber was tun wir nicht alles fürs Wasser, hier in dieser staubigen, trockenen Gegend.
Bis zur Marina am Roosevelt See kommen wir noch durch ein Gebiet mit riesigen Kakteen. Die sind wirklich beeinruckend groß und verstärken das Wüstengefühl.
Der Abschnitt bis zum Highway und zur Brücke wird nochmal extrem steil und rutschig, sodass wir am Ende beschließen, die Straße zur Marina zu nehmen, und den Trail zu ignorieren. Asphalt-Treterei ist zwar auch nicht toll, aber wir wollen jetzt einfach nur noch ankommen.
Als wir in dem kleinen Ort einlaufen, begeben wir uns direkt in die Bar, wo wir trinken und essen können. Ich merke meistens erst dann, wenn ich sitze, wie kaputt und durstig ich bin. Wir sind beide ziemlich durch, bestellen Bottiche an Limonade und Pizza, als gäbe es kein morgen mehr. Wir haben die letzten Stunden und Tage wohl doch mehr Energie verbraucht als gedacht. Nach dieser Völlerei, die sich für uns gar nicht so anfühlt, gucken wir uns die Stelle an, wo Wanderer umsonst campen dürfen. Es gibt einen kleinen Schuppen mit einer Hikerbox, einer Solarladestation und draußen einen Picknicktisch.
Leider liegt der beleuchtete Parkplatz direkt auf der einen Seite und der Highway auf der anderen Seite. Es gibt noch ein paar Büsche zur Straße, trotzdem entscheiden wir, hier an diesem "idyllischen Plätzchen" zu bleiben und gegen 18 Uhr das Zelt aufzubauen. Ein paar Leute fahren auch noch zur Bar oder zum kleinen Shop und gucken uns schon etwas schief an. Wir füllen in dem Laden auch noch etwas unsere Futtertüten auf, aber so richtig hikerfreundlich ist das Angebot hier leider nicht.
Die Nacht wird an diesem etwas merkwürdigen Ort viel besser für mich, als erwartet. Ich kann richtig gut schlafen und bin am nächsten Tag nahezu frisch und ausgeruht.
Wir kommen am Morgen um 7:30 Uhr los und sind erstaunt, wie gut wir voran kommen. Es geht natürlich erstmal wieder steil bergauf und später ab und zu durch einen Wash, dann ist auch mal Kraxeln angesagt. Aber der Trail ist minimal besser, und wir haben wieder mehr das Gefühl von Wandern als von Balancieren und Kämpfen.
Das ist aber auch nur von kurzer Dauer, denn die Höhenmeter werden am Ende nochmal richtig fies, denn Serpentinen gibt es hier leider nicht. Wir schnaufen hinauf und werden auf der Höhe mit einem super Sonnenuntergang belohnt.
Im Dämmerlicht müssen wir noch an einer Quelle grünes Wasser filtern, dann wird im Dunkeln das Zelt aufgebaut und gekocht. Leider gehen die Heringe nicht in den harten Boden rein und in der Nacht frischt wieder der Wind auf. Das Zelt klappert und wackelt und mein Schlaf wird dadurch ziemlich gestört. Tja, ich schlafe wohl nur am Highway und an einem beleuchteten Parkplatz gut...
Unsere Beine sind am nächsten Tag mächtig schwer und wir eiern ein wenig durch die Landschaft, die mal wieder mit Ausblicken und irren Felsformationen punktet. Es ist schon toll, hier durch die Wildnis zugehen, wenn es doch nur nicht so höllisch anstrengend wäre.
Wir kommen heute durch eine Flussgegend, die mit den hohen Bäumen und dem grünen Gras plötzlich ganz anders wirkt, auenhaft nahezu. Es ist wirklich schön, und so komplett anders als die Wüstenlandschaften die Tage vorher.
Dann treffen wir nach einiger Zeit drei Leute und sind ganz irritiert von den Massen, die hier rum laufen. Es sind zwei Sectionhiker und ein älterer Thruhiker, der wie wir, southbound unterwegs ist. Er ist ebenfalls vor gut vier Wochen gestartet und findet den AZT auch sehr schwer. Endlich mal einer, der das offen ausspricht. Danke.
Wir holen noch Wasser, er geht schon mal weiter. Wir hoffen eigentlich, ihn nochmal wieder zu treffen, aber er ist wie vom Erdboden verschluckt. Ob er sich im Wash verlaufen hat oder doch schneller ist als erwartet, erfahren wir nicht. Wir treffen wieder mal Jäger in ihrem Buggy, die den Thruhiker aber auch nicht gesehen haben. Sehr komisch.
Wir müssen weiter, denn wir haben noch einen steilen Abstieg vor uns, brauchen noch Wasser und eine Campsite. Mal sehen, ob wir das heute im Hellen schaffen.
Es klappt leider wieder nicht rechtzeitig, denn das Wasser aus einem stehenden Tümpel muss aufwendig gefiltert und behandelt werden und die Campsite ist eher suboptimal. Auch hier gehen die Heringe nicht rein und es liegt Toilettenpapier herum. Ich finde das echt doof, dass die Leute ihren "Scheiß" nicht tief genug vergraben. Das macht es für alle anderen, die danach kommen, einfach eklig.
Die Nacht ist erstaunlich warm und wir schwitzen unter unseren Daunenschlafsäcken heute mal. Mann, wir sind ko, diese Tage hatten es in sich und wir freuen uns mal wieder total auf den Townstop.
12 Meilen stehen uns noch bevor, die sehr warm und staubig werden. Der Trail ist zum Glück etwas angenehmer zu gehen, die Steigungen nicht so extrem. Aber die Hitze schafft uns und die Wassersituation ist mäßig. Wir können zwar noch einmal die Flaschen auffüllen, aber ganz eindeutig haben die Kühe hier heute auch schon getrunken.
Neben einigen Jägern, die wir aus der Ferne sehen, begegnen wir auch vier Tageswanderern, die ganz aus dem Häuschen sind, dass wir bis nach Mexiko laufen wollen. Sie machen ein Foto von uns und ich fühle mich so unfotogen wie lange nicht mehr. Aber es gibt ja zum Glück noch keine Geruchsfotos. Die hätten es in sich.
Bis zum Picketpost Trailhead geht es auch noch unter dem Highway hindurch, wo wir in wunderbar kühlem Schatten unser letzten Päuschen einlegen. Tunnel sind toll.
Um 13:45 Uhr sind wir am Parkplatz und hoffen, dass wir von unserem Hotel, wie verabredet, um 14 Uhr abgeholt werden. Werden wir leider nicht... Nach vierzig Minuten in der prallen Sonne, kommt die Hotelbesitzerin, die irgendein Problem mit ihrem Auto hatte.
Da sitzen wir also gut durchgegart im Auto und hoffen auf einen erholsamen Townstop in Superior. Das Motel ist nicht ganz so schick, es ist auch etwas herunter gekommen, ok, sauberer ginge es auch... Egal, es gibt eine Dusche, eine Waschmaschine, ein Bett und eine Klimaanlage.
Zeroday, wir kommen.
(Good Grip, 10.11.2021)