Shannon und Alex haben uns einen angenehmen Zeroday beschert und das grandiose Haus, umgeben von verfärbten Laubbäumen, von Kolibris besucht, machte es uns leicht, dass wir uns wohl fühlen. Aber auch die anderen drei Hiker waren so entspannt und unkompliziert, dass wir hier eine gute Zeit zusammen haben. Wir waren zuerst von dem gesamten Setting etwas skeptisch, aber dann konnten wir uns doch darauf einlassen.
Am Montag Morgen bringt Shannon uns zurück zum Trailhead, weil Alex des nachts irgendwo wandern gehen will. Schon irgendwie auch ein verrückter Kerl. Als wir gerade aus dem Truck aussteigen, kommt ein anderer Thruhiker zum Parkplatz, den Shannon direkt einsammelt. Was für ein Timing.
Wir machen noch einen kurzen Stop an der Bärenbox, wo ein Sitzpad liegt, was ich kurzerhand austausche, denn es ist etwas stabiler und sogar leichter als meins von den Traildays in Cascade Locks.
Etwas weiter am Trail hängt an einem Pfosten eine Plastiktüte mit einer Dose Bier und ein paar Crackern. Unsere Rucksäcke sind einfach zu schwer, sonst wäre das mit der Dose Bier für den Abend schon nett gewesen. Aber so freut sich hoffentlich der nächste Wanderer.
Wir steigen auf Geröll erstmal bergauf. Da bekommen wir schon mal einen Vorgeschmack auf den heutigen Tag. Die Landschaft hat sich auch schon deutlich verändert, mit den vielen Kakteen und dem Geröll ist es viel wüstenhafter. Der Trail ist heute nur kurzzeitig mal flach und angenehm zu gehen. Ansonsten gibt es überall Steine jeglicher Größe. Nicht nur die Füße und Fußgelenke müssen die ganze Zeit hart arbeiten, auch müssen wir uns extrem konzentrieren, weil sonst sehr schnell ein Sturz oder ein Umknicken passieren könnte. Es ist ein wirklich harter Tag und wir kommen nach 16 Meilen um 17:30 Uhr an der Campsite an. 2Tall macht sich noch mit den zwei Faltflaschen zur Wasserstelle auf. Es geht steil bergab und ohne Rucksack ist das doch einfacher.
Als wir das Wasser behandelt, gekocht und zeltfertig sind, ist es stockdunkel. Wir haben das Gefühl, uns fehlt eine halbe Stunde Tageslicht, dann würden wir besser zurecht kommen. Aber an der Uhr drehen, das klappt irgendwie noch nicht.
Beim Abendessen entdecken wir übrigens unseren ersten kleinen Skorpion. Der ist super getarnt und wir können ihn überzeugen, irgendwo anders sein Abendessen zu suchen.
Die Blase an meiner Ferse pocht wieder enorm, und obwohl ich sie zwei Tage lang in Pine mit einem Faden drainiert habe, ist sie jetzt wohl wieder voll gelaufen. Es ist ein Graus, und ich frage mich, wann meine Füße endlich wandertauglich werden.
In der Nacht schüttet es nochmal ordentlich, unser Zelt hält dem aber wieder mal bestens stand und wir bleiben trocken. Der Regen scheint örtlich sehr begrenzt zu sein, denn am nächsten Morgen sehen wir weiter südlich nichts mehr davon.
Wir kommen heute tatsächlich mal an einen Fluss, wo wir unsere Wasserflaschen auffüllen können und diesen sogar durchqueren müssen. Der Wasserpegel ist sehr flach, so dass wir leicht mit den Steinen und "rock hopping" übersetzen können. In der Nähe ist auch eine Farm und plötzlich taucht ein Hund auf, der wohl mal sein Revier abchecken will. Die Hündin ist klasse, sie freut sich sehr, uns zu sehen. Auf ihrem Halsband steht allerdings, dass sie auf der Farm lebt und dort auch weiter bleiben möchte. Schade, sie hätte mir gut gefallen.
Nach der Farm beginnt ein kilometerlanger Aufstieg und wir haben ziemlich zu schnaufen. Es ist heiß und der Weg bietet mal wieder viel Geröll und dorniges Gestrüpp. Mit jedem Höhenmeter wird der Blick natürlich spektakulärer, aber zum Gucken müssen wir stehen bleiben, sonst stolpern wir oder fallen sogar. Zwischendurch haben wir tatsächlich nochmal einen Blick auf die San Francisco Peaks weit in der Ferne. Es liegt wieder Schnee auf ihren Spitzen und wir werden sofort an unsere eisige Nacht vor Flagstaff erinnert. Diese ist und bleibt einfach sehr im Gedächtnis.
Unser Wasser können wir am späten Nachmittag aus kleinen Pools schöpfen, die im trockenen Flussbett zurück geblieben sind. Mit einigen Litern Wasser klettern wir noch etwas höher, um einen Zeltplatz zu finden. In Guthook wurde davon berichtet, und das ist sehr hilfreich, denn sonst wären wir sicher nicht weiter gewandert. Wir finden ein Plätzchen, was zwar einen tollen Blick hat, aber leider unfassbar zugig ist. Der eiskalte Wind zischt hier genau rüber und durch uns durch. Innerhalb kürzester Zeit sind wir durchgefroren. Noch schnell ein Ramensüppchen kochen, dann geht es ins Zelt, sonst ist es nicht auszuhalten. Wir sind ziemlich geschafft und wie schön wäre es gewesen, noch etwas draußen sitzen zu können. Ok, das Wetter ist hier irgendwie anders als erwartet und meine Füße sind auch schon außerhalb des Zelts zu Eisblöcken mutiert.
Wir starten am nächsten Tag wieder so früh wie möglich, so dass wir es bis zur nächsten Wasserquelle auch im Hellen schaffen, aber wieder mal kommt es anders.
Als wir einen guten Platz zum Trocknen der Schlafsäcke in der Sonne und ohne Kakteen gefunden haben, kommt ein Wanderer vorbei, mit dem wir uns sehr lange unterhalten. Dann essen wir noch unsere Tortillas und leider sehen wir dann, dass unser Wasser so komische Schlieren hat. Also alles nochmal filtern und behandeln. Das dauert natürlich. Wir haben noch viele Meilen bis zur Bear Spring und das Terrain ist wieder einmal sehr felsig, schwer und am Ende wird es einfach super anstrengend. Mir geht die Puste aus und dann geht uns irgendwann auch das Tageslicht aus. Aber die Abendsonne auf die Felsen sehen wir noch und das Leuchten ist wirklich unfassbar. Alpenglühen in Arizona. Toll.
Die letzten Meter gehen nur noch mit Kopflampe und ich bin sehr erleichtert, als wir an der Campsite ankommen. Der Hiker, den wir mittags getroffen haben, liegt schon an seinem Plätzchen und löffelt gerade seinen Topf leer. Er hat kein Zelt, sondern nur einen Schutz über seinem Schlafsack und macht Cowboycamping. Das wäre nichts für mich, so gar kein Dach über dem Kopf. Er steht nochmal für uns auf und unterhält sich mit uns, während wir irgendwie nebenher das Zelt aufbauen und kochen. Er hat echt Redebedarf und freut sich offensichtlich über Gesellschaft. Er schenkt uns sogar noch einen Liter Wasser, so dass wir nicht noch im Dunkeln zur Quelle tapern müssen. Das ist grandios und wir sind dafür sehr dankbar.
Im Dunkeln im Camp anzukommen ist machbar, aber einfach nicht so entspannt. Die fast 16 Meilen hatten es in sich, nicht nur die Füße sind geschafft, Arme und Beine sind von dem Dornengestrüpp zerkratzt und der Kopf ist total leer.
In der Nacht frischt der Wind auf und mal wieder wird unser Zelt ganz schön durchgerüttelt. Im Hellen wird uns klar, warum der Wind hier so durchpfeift. Dieser Platz ist quasi ein Nadelöhr zwischen den Bergen, ein Windkanal. Aber es hätte sowieso weit und breit keine andere Campsite gegeben, wir hätten keine Wahl gehabt.
Der andere Wanderer ist schon um kurz nach 6 Uhr unterwegs, er macht jeden Tag 20 Meilen und nutzt jede Minute Tageslicht. 2Tall hat diesen Abschnitt sehr vorausschauend etwas großzügiger geplant, so dass wir heute "nur" 13 Meilen machen. Das ist sehr hilfreich und unsere Füße sind begeistert von einem kürzeren Tag. Dazu kommt teilweise ein sehr angenehmer Trail mit tollen Blicken, herbstlich verfärbten Blättern und weniger Dornengestrüpp. Geht doch, so hatten wir uns das vorgestellt.
Wir wandern bis zu einer Stelle, die an einem noch nicht ausgetrockneten Bach liegt. Es gibt einen alten Stollen, den wir aber nicht erkunden. Wir sehen einige alte Eisenteile herum liegen, finden aber ein gutes Plätzchen für unser Zelt. Hier gibt es ein paar Gumpen, die voll sind und uns klares Wasser schenken. Wir kommen im Hellen an, können in Ruhe aufbauen und kochen, wie wunderbar. Sogar die Nacht wird wärmer und wir schlafen deutlich besser als in den vorherigen Tagen.
Der letzte Tag dieses Abschnitts startet erstmal mit einem Anstieg aus dem schönen Tal heraus. Wir fühlen uns fit und etwas ausgeruhter nach dem kurzen Tag gestern und freuen uns auf die Stadt Payson. Um 14 Uhr hat 2Tall ein Shuttle organisiert, witzigerweise mit derselben Frau, die uns am ersten Tag auch von Flagstaff zum Start des Trails gebracht hatte.
Der Weg ist mal breit und angenehm, mal dornig, felsig und rutschig. Es ist quasi wieder alles dabei und die Sonne meint es heute sehr gut mit uns. Es ist schon früh sehr warm und wir schwitzen heute deutlich mehr als sonst.
Bevor wir den Highway erreichen, kommen wir an der vierhundert Meilen Marke vorbei. Wir sind in 31 Tagen 640 Kilometer gelaufen, was jetzt keine Höchstleistung ist, aber wir sind trotzdem stolz. Mann, was haben wir alles in diesem Monat erlebt und gesehen!
Und dann gibt es sogar nochmal etwas Trailmagic. Es steht eine Erste-Hilfe-Box mit Pflaster und Ibuprofen und eine Kiste mit Riegeln, Nüsschen und Haargummis herum. Die Kombi ist speziell, aber hilfreich. Danke! Unser Shuttle trifft kurz nach uns ein und die Karre ist wie schon vor vier Wochen eine Rumpelkammer mit Hundeplatz. Leider müssen wir auf dem Highway noch eine Pause einlegen, weil der Motor heiß läuft. Als wir nach 45 Minuten in Payson ankommen, sind wir doch froh, dass dieses Auto nicht noch verreckt ist. Von dem teuren Shuttlegeld sollte die Dame sich definitiv erstmal einen Mechaniker leisten.
Wir sind wieder in der Zivilisation, freuen uns auf einen Zeroday hier und legen erstmal die Füße hoch. Das haben sie sich verdient nach diesem harten Stück Wanderarbeit.
(Good Grip, 6.11.2021)