Wir haben drei Nächte in Flagstaff verbracht, weil wir nach dem Kälteeinbruch und den Frostnächten einfach kaputt und müde waren. Wir haben gut gegessen, einmal in einem tollen indischen Restaurant, und ein paar schöne Gespräche mit unseren Freunden in Deutschland geführt. Nun kommt auch wieder Wanderlust auf.
Wir lassen uns mit Uber von einem netten Typ zum Trailhead fahren. Er berichtet uns einfach so, wie er seinen Fersensporn los geworden ist, nämlich mit hochdosiertem Kurkuma! Danke für die Info, ich bin auch ein Fan davon.
An diesem Samstag Morgen treffen wir Jogger, Mountainbiker und einige Hundespaziergänger. Wir gehen einen Teil der "Urban Route", und sehen sogar später noch zwei Reiterinnen. An einigen Stellen gibt es noch Schnee und wir werden an unsere eiskalte Nacht erinnert. Erstaunlich, wir schnell der Körper sich an solche Zustände wieder erinnert.
Nach 14 Meilen kommen wir zum Highway, der Route 66, von wo wir uns nochmals per Uber abholen lassen. Wir gönnen uns den Luxus, eine weitere Nacht im Hotel zu schlafen, denn wir sind ja immer noch in Flagstaff.
Das Hotel ist leider nicht ganz so gemütlich wie das letzte, aber die Dusche ist heiß und das Bett relativ weich. Es wäre sogar deutlich günstiger als das vorherige, aber es ist Samstag und da werden die Preise ja einfach mal um ein Vielfaches erhöht. Etwas unverschämt, finde ich, gerade in so einer Kaschemme. 2Tall macht den Fehler und schaut hinter die Kommode, bei der Suche nach einer Steckdose. Ich berichte hier jetzt mal nicht, was für ein Müll dahinter zu sehen war.
Unser Abendessen lassen wir uns im Golden Dragon servieren. Chinesisch und sehr lecker.
Leider ist die Bahnstrecke und auch die Route 66 sehr befahren und der Geräuschpegel auch während der Nacht erheblich. Wir schlafen deswegen auch nicht so gut. Insgesamt ist die Gegend aber auch etwas fragwürdig und wir sind froh, dass wir nicht hier unseren Ruhetag eingeplant haben.
Ein Café nebenan hilft mit, den Tag mit einem guten Frühstück zu beginnen. Wir können inzwischen auch am Morgen deftig und viel verspeisen. Überhaupt kein Problem. Unsere Essgewohnheiten sind hier besonders.
Zurück zum Trailhead nehmen wir den Bus, den gibt es hier auch. Leider müssen wir von der Bushaltestelle noch ein Stück am Highway entlang laufen. Ich bin jetzt schon von dem Verkehrslärm gestresst und auch die Gegend wirkt nicht unbedingt einladend. Aber das ist ja auch irgendwie Amerika. Neben großartiger Natur gibt es die Massen an Fastfoodläden, Tankstellen und Autos ohne Ende.
Wir gehen unter dem Highway hindurch, der Tunnel ist dunkel und vermüllt, aber zum Glück recht kurz. Dann kommt endlich wieder Trailgefühl auf, denn wir kommen in einen Bereich, wo es Petroglyphen gibt. Wie gut, dass es die Schautafeln gibt, denn die Felsmalereien sind zwar gut zu erkennen, aber doch recht klein. Ein paar andere Leute sind hier auch unterwegs, aber schon bald sind wir wieder allein auf dem Weg und müssen leider ein langes Stück parallel zum Highway und der Bahnlinie laufen. Es ist unerträglich laut, dazu weht ein starker Wind. Wir sind akustisch überlastet und unsere Füße schmerzen. Bei uns beiden jeweils der rechte Fuß, aber natürlich an unterschiedlichen Stellen. Wir haben die letzten Monate ja nun schon einige Meilen gemacht, vielleicht schleicht sich doch eine gewisse Überlastung ein? Wir cremen, schlucken Ibu und laufen erstmal weiter, um von diesem Verkehrslärm weg zu kommen.
Bald sind wir in der Nähe von Walnut Canyon, sehen mal wieder ein paar Taranteln und treffen wieder Spaziergänger, Mountainbiker und Menschen in einem sehr merkwürdigen Buggy. Das erste Mal werden wir von Leuten gefragt, ob wir alles hätten, oder doch irgendetwas bräuchten? Sehr nett, sicher auch Wanderer. Viele Leute gucken uns eher groß an, denn sie wissen nicht viel vom Arizona Trail und wo der überhaupt entlang geht.
Wir machen Stop an der Wasserstelle für die Wildtiere. Diesmal sind keine Kaulquappen drin, aber wir teilen uns das Wasser mit diversen Vögeln, die auffliegen, als wir kommen. Nicht weit vom Wasser finden wir auch einen Platz zum Zelten. Ich habe das Gefühl, es wird nicht ganz so kalt, aber in der Nacht friere ich doch wieder und die Füße verwandeln sich innerhalb kürzester Zeit in Eisblöcke. Der Mond ist noch nicht ganz voll, hat aber so eine Helligkeit, dass wir auf unserem Zeltdach die Schatten der Bäume sehen. Unglaublich.
Wir stehen am nächsten Tag mit dem Tageslicht um kurz nach sechs auf, schaffen es aber mit Frühstück und Packen nicht vor 7:30 Uhr loszukommen. Ok, wir müssen auch nochmal Wasser filtern, das dauert immer.
Wir steigen hinunter in den Walnut Cayon und sehen tolle Felsformationen. Leider nimmt der Wind wieder zu und dadurch wird es richtig kühl. Als wir wieder aus dem Canyon heraussteigen, sind wir erstmal im Wald und gut vor dem Wind geschützt. Der Weg ist angenehm, aber im Hinterkopf haben wir unsere lange Tagesetappe. Ob wir das schaffen werden? Außerdem kommen wir bald aus dem Wald heraus und sind dem Wind komplett ausgeliefert...
Am ersten Wassercache sehen wir unsere Gallone, die uns ein Trailangel hier hingestellt hat, nachdem 2Tall ihn angemailt hatte. Toll, dass es diese hilfsbereiten Menschen hier gibt. Ohne Wassercaches wäre es fast unmöglich, hier zu wandern, denn die meisten Seen und Flüsse sind ausgetrocknet und die "Wildlife Drinkers" sind eben nicht in regelmäßigen Abständen zu finden.
Der Wind nimmt immer noch weiter zu. Ab und zu können wir etwas Windschutz durch ein paar Büsche erhalten, aber die Böen sind wirklich heftig und schieben uns beliebig hin und her.
In der Wettervorhersage hatte ich was von 90km/h gelesen und es fühlt sich auch mindestens so stark an. Wir kühlen durch den Wind ziemlich aus, müssen einiges anziehen, damit wir warm bleiben, denn das Wandern selber reicht nicht aus.
Wir schaffen es tatsächlich bis zum nächsten Wassercache, wo unsere Gallone aber leider fast ausgetrunken wurde. Das ist nicht ok und wir sind ziemlich sauer, denn unsere Namen standen deutlich lesbar auf der Flasche. Zum Glück gibt es noch anderes "public" Wasser, was wir nutzen können. Um kurz vor 18 Uhr haben wir einen Zeltplatz gefunden, nach über 22 Meilen. Das ist eine absolute Höchstleistung und unser weitester Tag bisher. Dazu dieses Wetter... Wir sind stolz auf uns, aber auch völlig ko.
Schnell das Zelt aufbauen, kochen und dann ab auf die Isomatte, raus aus diesem Wind, der immer noch pustet. Das kleine Zelt wird noch einige Stunden kräftig durchgerüttelt, aber wir schlafen trotz der Böen müde, erschöpft und verfroren ein. Was für ein Tag.
Wir wachen am nächsten Morgen mit schweren Beinen auf. Darf ja auch so sein, waren schließlich satte 35km gestern.
Endlich hat auch der Wind nachgelassen und der Himmel ist strahlend blau. Wir gehen durch schöne Landschaft und folgen einer alten Bahnlinie, die durch aufgeschüttete Steine und alte Bohlen klar zu erkennen ist. Plötzlich taucht eine orangefarbene Mütze auf. Da steht ein Jäger in voller Montur und fragt uns, wieviel Wanderer hier wohl noch vorbei kommen, und ob das der Arizona Trail wäre. Wir machen ihm klar, dass es jetzt die Hauptsaison für die Wanderer gen Süden ist und hoffen, dass er bei seiner Elk Jagd gut auf die Rucksackleute achtet. Etwas später hören wir diverse Schüsse, die aber nicht in unserer Nähe abgefeuert werden.
Ich muss für den gestrigen Tag bezahlen und kann irgendwann nicht mehr. Mein Gehtempo wird immer langsamer und die Pausen länger. Mann, ich bin hinüber und habe das Gefühl, ich laufe gegen eine Wand.
Als wir zur Straße kommen, die direkt zum Ort "Mormon Lake" führt, entscheiden wir uns für den Asphalt und nicht für den Trail, der noch ein paar Höhenmeter gehabt hätte. Die Straße ist nicht sehr befahren, aber von Taranteln begangen. Wir haben inzwischen über zehn von diesen haarigen Viechern gesehen.
Der Ort besteht aus wenigen Gebäuden, drum herum gibt es ein paar Farmen. Einen See sucht man hier vergeblich, den gibt es wohl schon lange nicht mehr, aber die riesige, weite Grasfläche deutet darauf hin, dass hier irgendwann mal etwas war.
Der Saloon und die Pizzeria haben geschlossen, aber der überteuerte General Store hat geöffnet. Wir können am Campingplatz unsere Wäsche waschen und 2Tall organisiert eine halbwegs bezahlbare Cabin, die sogar ein Bad und eine Heizung hat. Ich bin so dankbar für ein warmes Zimmerchen und eine heiße Dusche. Danke 2Tall, du bist mein Retter!
Morgen wollen wir weiter in Richtung Pine. Wir planen mal vier Tage ein und hoffen, dass wir diesmal ohne Sturm oder Schnee einfach so wandern können.
Happy trails!
(Good Grip, 24.10.2021)