Zwei Nächte verbringen wir in Tusayan, einem Vorort des Grand Canyon. Es gibt hier ein Imax Kino und diverse Touranbieter, außerdem ist der Flugplatz mit den Scenic Flights über den Canyon sehr frequentiert.
Diverse Fastfoodläden säumen die Hauptstraße, es gibt eine Tankstelle und noch einige Hotels. Das ist eigentlich schon der ganze Ort. Unser kleines Motel ist das letzte, was keiner Kette anzugehören scheint. Es wirbt mit "friendly, clean and cozy", und so ist es auch.
Wir sind von der Grand Canyon Wanderung wohl doch müder als gedacht, denn wir liegen fast nur rum, essen oder lesen. Waren ja schon auch einige Höhenmeter, die wir die letzten Tage bewältigt haben. Die zweite Nacht gönnen wir uns deswegen, weil große Regenmengen angekündigt sind. Schlussendlich gibt es am Nachmittag einen kleinen Schauer, das isses. Aber wir erholen uns gut und haben wieder richtig Lust zu wandern.
Am Morgen scheint sie wieder, die warme Arizona Sonne. Wir gehen hinter dem RV Park auf den Trail und kommen an einigen Matschlöchern, aber auch diversen Hufspuren von Pferden vorbei, sehen aber leider keine Vierbeiner.
Wir treffen eine ältere Tageswanderin, die uns leider nichts über die Wassersituation sagen kann. Glücklicherweise gibt es aber eine kleine Flasche Wasser und eine Pepsi in einem Jägerbeobachtungszelt, was bei einem Wasserloch steht. Die beiden Flaschen gönnen wir uns, und es ist mal wieder erstaunlich, was so ein bißchen Koffein und Zucker mit uns macht!
Die Wasserlöcher scheinen sehr beliebt zu sein, bei Tier und Mensch. Wir werden sehr an Namibia erinnert und würden uns nicht wundern, wenn mal eine Warzenschweinfamilie oder ein paar Giraffen am Horizont erscheinen würden.
Nach 13 Meilen kommen wir an einen Aussichtssturm, um den diverse Campervans, aber auch Zelte stehen. Leider ist der Wassercache für die Wanderer hier leer, aber es gibt ja immer wieder nette Jäger, von denen wir zwei Liter Wasser geschenkt bekommen. Toll.
Vom Turm haben wir einen weiten Blick bis zum Grand Canyon aber auch zu den San Francisco Peaks. In diese Richtung werden wir auch weiter gehen. Aber erst einmal sind noch 5 Meilen bis zur nächsten Wasserstelle wichtig, sonst wirds schwierig mit der Nacht und dem Abendessen. Auf dem Weg sehen wir einen Dachs, der uns lange ziemlich groß anguckt, aber dann doch irgendwann Reiß aus nimmt.
Mit hohem Tempo und am Ende über 20 Meilen wirds ein Hammertag, den wir spüren, denn die Futterbeutel sind ja auch mal wieder randvoll und einfach nur schwer auf den Schultern. Im Dämmerlicht filtern wir das Wasser am Wildlife Tank, werden dabei vielleicht mal wieder von einer Wildkamera aufgenommen und suchen uns danach einen Zeltplatz. Wir sind nicht wählerisch, denn es wird schnell dunkel und mal wieder eisig kalt.
Als wir in unseren Schlafsäcken liegen, hören wir die Wapiti Hirsche röhren, also wir vermuten es sind diese Viecher, denn die Geräusche stammen von etwas Größerem und neben den vielen Kuhfladen hier, gibt es auch immer mal wieder Droppings von den "Elks".
Später sehen wir noch zwei Lichter am Wasser hantieren. Da sind wohl noch Hiker oder Biker spät angekommen und sie brauchen auch noch etwas Wasser.
Mit einem unfassbaren Sonnenaufgang starten wir in den Tag. Die späten Wanderer schlafen übrigens noch, denn wir sehen ihre Zelte unweit der Wasserstelle, wo wir am Morgen noch auffüllen müssen.
Wir nehmen heute mal nicht ausschließlich den Trail, sondern kürzen auch mal auf "Dirt Roads" ab. Denn bis zur nächsten Wasserstelle ist es sehr weit und wir wollen die über 20 Meilen bei Tageslicht schaffen. Wir kommen auf unserer Abkürzung an einem toten Pferd vorbei, was ohne Kopf und mit drei Beinen da liegt. Das ist ein fürchterlicher Anblick. Es wird uns klar, wie rauh und unwirtlich die Gegend hier zum Teil ist, aber wir genießen diese Einsamkeit und die Natur als Wanderer hier trotzdem sehr.
Die Wassersituation ist auf diesem Stück Trail wirklich schlecht. Das bestätigt uns auch ein Wanderer, der uns entgegen kommt und gen Norden geht. Die Wassertanks sind teilweise algig, verdreckt oder es schwimmen Kaulquappen darin. Die anderen Wasserlöcher sind völlig vermatscht und die Wassercaches sind wegen der vielen Wanderer schon fast leer. Die Trailangel geben alles und helfen viel, aber können eben auch nicht alles abdecken.
Aber zu unserer Mittagspause kommen wir mal wieder an Wassergallonen vorbei, an denen wir uns bedienen dürfen. Das ist sehr angenehm, denn wir brauchen das Wasser aus den noch verschlossenen Kanistern ja nicht zu behandeln, was uns eine Menge Arbeit und Zeit spart.
Während wir Pause machen, trocknen unsere Schlafsäcke in der Sonne. Leider ist unser Zelt von innen wegen der tiefen Temperaturen und unserer Atemluft in der Nacht recht feucht.
Ziel für den Tag ist mal wieder ein Wildlife Tank, mit recht großen Kaulquappen und einer Tarantel, die wir am nächsten Morgen kennenlernen. Wir sind über 21 Meilen gegangen und unsere Füße aufgrund der trockenen und sehr harten Wege ganz schön strapaziert.
Wir zelten etwas abseits des Wassers und erleben einen tollen Sonnenuntergang. Später kommen noch die beiden Wanderer vorbei, die wir schon am letzten Wasserloch in der Dunkelheit gesehen haben. Wir lernen sie am nächsten Morgen richtig kennen und treffen sie auch noch ein paar Mal auf dem Weg, bis sie irgendwann abgezischt sind, denn sie sind sehr schnell unterwegs. Die beiden Jungs sind nett, aber auch nicht wirklich gesprächig. Sie haben übrigens das typische Alter für Thruhiker. Sie sind Anfang oder Mitte 20 und können mit uns älteren Herrschaften wohl nicht viel anfangen. Aber die Kraft, die sie haben, ist bewundernswert, da werden locker täglich 25 bis 35 Meilen (40 bis 55 km) mal eben so abgerissen.
Es ist kühl an diesem Wandertag, und der Wind ist kräftig und böig. Als wir an einer Farm Wasser am Tank holen, müssen wir uns irgendwie vor dieser Pusterei schützen, denn es ist unerträglich geworden. Leider haben wir nach unserer Pause vier Meilen Road Walk vor uns, wo uns der kalte Wind volle Breitseite entgegen kommt. Dazu kommen immer mal wieder Staub und Dreck, die uns ins Gesicht peitschen und die sich wie Nadelstiche anfühlen. Ich bin sehr froh, bei 2Tall Windschatten laufen zu können und dadurch etwas Schutz zu haben.
Am Ende der Straße wartet eine kleine Belohnung, denn in einer Bärenbox finden wir nicht nur Wasser, sondern auch diverse Süßigkeiten, Getränkepulver und Müsliriegel. Was für eine tolle Überraschung nach diesem Windkanal. Manche Trailangel wissen einfach, was die Wanderer brauchen. Die beiden Jungs sitzen dort auch noch herum, als wir ankommen, und wollen noch 10 weitere Meilen bis zum Wasser gehen. Das schaffen wir heute definitiv nicht mehr. Wir füllen all unsere Kanister auf, laufen dann mit über 8 Litern los, um irgendwo stoppen und campen zu können. Auf dem Arizona Trail gibt es übrigens keine speziell ausgewiesenen Campsites, was Vorteile aber auch Nachteile hat.
Wir finden ein gutes Plätzchen zwischen zwei Büschen, die uns hoffentlich etwas schützen, denn es soll wohl, laut der Jungs, ein Gewitter geben.
Wir sehen abends beim Kochen in der Ferne sehr dunkle Wolken und hoffen noch, dass das Zeug irgendwie an uns vorüber zieht. Aber was dann in der Nacht und am nächsten Tag folgt, ist kaum zu beschreiben. Der Sturm lässt unser kleines Zelt unglaublich beben und von Regen, Schnee und Graupel ist an Niederschlag wohl alles in der Nacht dabei. Die Temperaturen fallen erheblich und der Wind bleibt auch am Morgen noch sehr kräftig und böig. Wir hatten zwar von dieser Kaltfront gelesen, laut Wettervorhersage sollte sie aber erst am nächsten Tag kommen.
Wir überlegen hin und her, was wir machen sollen, vielleicht zurück zur Farm, damit sie uns irgendwo hinfahren können? Wir entscheiden uns, weiter den Trail zu gehen, soll ja auch wieder besser werden mit dem Wetter, wir sind ja gut ausgestattet, wir schaffen das schon...
Aufgrund des sehr aufgeweichten Untergrundes klebt uns schon nach kurzer Zeit eine zentimeterdicke Matschschicht unter den Füßen. Die Schuhe werden schwer und lassen uns ziemlich herum eiern, dazu eisige Kälte und Wind. Es ist der Anfang einer ziemlichen Schlechtwetter-Odyssee.
Wir treffen einen anderen Wanderer, der uns berichtet, dass sein Zelt zwei Mal in der Nacht wegen des Windes zusammen gebrochen ist. Wie toll, dass wir so ein standhaftes Zelt haben und 2Tall auch immer sehr genau guckt, wo wir stehen und wie das Zelt aufgebaut wird.
Wir stapfen weiter, frieren weiter und halten den einzigen Autofahrer an, der hier auf dem Holperweg mit seinem Pickup herumfährt. Ob er wüsste, ob die in der Nähe liegende Lodge vielleicht geöffnet sei? Kann er uns nicht sagen, nur, dass er froh sei, bei diesem Wetter in seinem Auto zu sein. Ach so, na vielen Dank auch, sehr nett.
Wir sind ziemlich durchgefroren, erschöpft vom Wind und können aufgrund der Kälte kaum Pausen machen. Was bleibt uns übrig, als immer weiter zu gehen, um warm zu bleiben. Der Trail steigt weitere Höhenmeter auf, und wird uns vermutlich eine sehr eisige Nacht bescheren. Wir erfahren über das Internet, dass die Lodge wegen des schlechten Wetters geschlossen hat, ja sicher, das macht Sinn.
Die zwei anderen Wanderer, die wir treffen, wollen wohl noch zum nächsten Wasser gehen. Das ist mit dem hohen Schnee und dem schweren Geläuf aber noch sehr weit. Ich schaffe das nicht mehr. Durchgefroren, erschöpft und mental ziemlich platt, suchen wir uns im Schnee einen Platz, wo wir das Zelt unter Bäumen aufstellen können. Aber damit ist es ja nicht getan, die Isomatte aufpusten, seine Sachen sortieren, das dauert alles und lässt uns in kurzer Zeit sehr auskühlen.
Auch im Schlafsack liegend wird uns kaum warm und die anstehende eiskalte Nacht macht mir wirklich große Sorgen. Leider kann ich meine Körpertemperatur nur schlecht regeln und schon nach kurzer Zeit im Schlafsack habe ich Eisfüße und bibbere nur so vor mich hin. Unsere Daunenschlafsäcke können schon auch tiefere Temperaturen schaffen, aber die Feuchtigkeit der letzten Nacht steckt noch in ihnen, denn Sonne zum Trocknen gabs den ganzen Tag leider nicht. In Tusayan hatten wir uns Rettungsdecken besorgt, die wir erst in den Schlafsack, später auch unter die Isomatte legen. Denn die Kälte vom Boden ist unsäglich und macht es uns schwer, entspannt einzuschlafen.
Ein paar Stunden Schlaf werden es wohl, aber morgens um drei wecke ich 2Tall, weil ich vor Kälte nicht mehr weiter weiß. Ich koche mir einen heißen Kaffee, der etwas hilft. 2Tall unterhält sich tapfer mit mir, und eine gute Stunden lang nicken wir dann wohl nochmal ein, bevor wir um 5:30 Uhr aufstehen, die Sachen zusammen packen, um in Bewegung zu kommen. Unsere Schuhe und die nassen Socken sind gefroren, auch in unseren Wasserflaschen schwimmen Eisstückchen. Mein kleines Thermometer gibt im Zelt minus vier Grad Celsius an, wir vermuten aber, dass es draußen bestimmt minus acht Grad waren, denn wir sind ja über 2000 Meter hoch!
Der Wind hat nachgelassen, die Sonne kommt bei strahlend blauem Himmel heraus und verwandelt die Gegend in eine Winter-Wonder-Landschaft. Es sieht alles toll aus, und nach einer dreiviertel Stunde strammen Wanderns können wir die Landschaft auch bewundern. Die Füße sind zwar nass, aber etwas wärmer ist es uns immerhin geworden.
Wir haben noch 14 Meilen vor uns, bevor wir eine Dirt Road zum Highway nehmen können, wo ein Bus in die Stadt Flagstaff fährt.
Wir sehen diverse Spuren von anderen Wanderern, Rehen, sogar von einem Snowmobil, treffen aber keinen Menschen. Drei Rehe laufen uns über den Weg. Nicht weit hören wir sogar diverse Coyoten heulen, die sich wahrscheinlich ebenfalls über diesen Kälteeinbruch beschweren.
Wir kommen am frühen Nachmittag in Flagstaff an und checken in dasselbe Hotel ein, wo wir vor zwei Wochen schon waren, bevor wir zum Start des Trails gefahren wurden. Nur zwei Wochen? Es fühlt sich komisch an, denn in diesen zwei Wochen haben wir schon wieder soviel gesehen und erlebt. Die eisigen Tage waren eine Erfahrung, eine Herausforderung... Das brauchen wir nicht noch einmal, aber das hat mit uns beiden auch etwas gemacht, das hat uns zusammen geeist.
We made it in one piece... Dafür sind wir sehr dankbar. Happy trails and stay warm!
(Good Grip, 15.10.2021)