Nach drei Nächten in Ashland und einer aufwendigen organisatorischen Meisterleistung von 2Tall, sitzen wir am Samstag Mittag im Shuttle nach Medford zum Flughafen, wo wir einen Mietwagen abholen werden. Unser Fahrer ist etwas merkwürdig. Erst verstehe ich ihn gar nicht, weil er immer wieder über seine eigenen Sätze lacht, dann doziert er mächtig und wir sind beide auf der Rückbank etwas genervt.
Am Flughafen in Medford bekommen wir unser kleines Auto etwas früher und können los. Ich brauche allerdings noch neue Schuhe und 2Tall will seine Wandersocken tauschen. Es gibt nämlich einen amerikanischen Sockenhersteller, bei dem man seine alten löchrigen Exemplare gegen brandneue eintauschen kann, und das ganz umsonst! Leider gibt es in Medford in der Filiale einer sehr bekannten, großen Kette von Wanderläden keine Schuhe für mich und auch der Austausch der Socken klappt nur mit einem Paar. Also fahren wir nochmal zurück nach Ashland, denn dort soll es einen netten kleinen Outdoorladen geben. Und tatsächlich gibt es dort etwas für mich und auch das zweite Paar Socken kann getauscht werden.
Von Ashland bekommen wir nochmal einen kleinen Eindruck und es scheint ein interessantes Städtchen zu sein. Aber auch hier sehen wir wieder einige Männer, die auf der Straße zu leben scheinen. Das wird sicher auch mehr, je größer die Bevölkerungsdichte in Kalifornien wird, aber wir kommen ja direkt aus der Natur und aus den Feriengebieten, dann finde ich es schockierend, wieviele Obdachlose es hier gibt.
Nach so langer Zeit ist es für uns ganz komisch, länger in einem Auto zu sitzen. Die Landschaft bewegt sich viel zu schnell an uns vorüber und die Unbeweglichgkeit auf dem Autositz kommt uns absurd vor. Nach ein paar Stunden haben wir schon keine Lust mehr, aber leider haben wir noch einige hundert Meilen vor uns. Die Landschaft macht es uns etwas leichter. Wir kommen direkt an Mount Shasta vorbei und trotz des starken Dunsts und Rauchs können wir die schneebedeckten Hänge erkennen.
Wir fahren bis Burney und gönnen uns dort ein Motelzimmer. Unsere Stimmung ist angesichts des Trailwechsels nicht euphorisch, denn wir kreuzen auf unserer Fahrt auch mal den PCT und sind schon sehr traurig, dass wir ihn verlassen mussten. Es ist sicher die richtige Entscheidung mit den vielen Waldbränden, aber die letzten Wochen haben uns einfach so unglaublich gut gefallen. Da bleibt dann schon etwas Abschiedsschmerz zurück.
In Burney füllen wir unsere Futterbeutel für unseren ersten Abschnitt in Arizona auf: Nüsse, Snickers, Tortillas. Da freuen wir uns doch wieder auf unsere Leckereien, wenn wir bald wieder wandern können.
Die Fahrt heute führt uns durch stark abgebrannte Gebiete und an wenigen Stellen können wir noch einen qualmenden Baum oder Strauch erkennen. Danach wirds extrem trostlos in der Wüste Nevadas und auch der Dunst nimmt weiter zu. Alles hat so eine grau-braune Farbe und selbst die kleineren Ortschaften wirken fad und wenig attraktiv. Reno ist ja etwas größer, aber auch hier wirken die größeren Gebäude in der Ferne einfach nur farblos. Später sehen wir dann in der Ferne ein seltsam starkes Licht strahlen, und nach kurzem Raten wird uns klar, dass das die Reflexion eines riesigen Spiegels ist, der eine Solaranlage beleuchtet.
In Tonopah stoppen für die Nacht und steigen im historischen Mizpah Hotel ab. Sehr gediegen, sehr rot und ganz schön plüschig, aber das Haus hat Geschichte und so mancher hat hier wohl schon paranormale Erfahrungen sammeln dürfen. Für uns ist es ein ganz normaler Aufenthalt im Hotel.
Sowohl Tonopah als auch die winzigen Orte weiter gen Las Vegas wirken wie aus einer anderen Zeit. Die Goldgräberstimmung ist vorbei und am Ende wird der Tourist darauf hingewiesen, dass es bald Fotogelegenheiten geben wird.
Unser Tankstellenstop unterwegs wird durch einen Esel bereichert, der im Schatten an den Mülltonnen steht und wahrscheinlich etwas abgreifen will. Er steht da ganz ruhig und gelassen und wartet. Auf was auch immer.
Durch Las Vegas rauschen wir nur hindurch, aber wir werden am Ende unserer Amerika Zeit vermutlich von hier zurück nach Deutschland fliegen. Dann werden wir das Städtchen nochmal genauer inspizieren können.
Am späten Nachmittag erreichen wir Flagstaff und es schüttet wie aus Kübeln. Wow, so einen Regenguss haben schon lange nicht mehr erlebt. Die Scheibenwischer geben alles, sehen können wir trotzdem nichts. In der Stadt ist es dann aber wieder trocken und sehr kühl. Wir gönnen uns eine weitere Nacht im Hotel, denn wir wollen auch nochmal unsere Klamotten waschen und eine weiche, kuschelige Nacht im Bett verbringen, bevor es wieder auf die etwas unbequeme Isomatte geht.
Das war ein interessanter Roadtrip, aber das Wandern gefällt uns eindeutig besser. Wir geben das Auto heute zurück und werden morgen dann hoffentlich auf den Arizona Trail gehen, southbound gen Mexiko. Happy trails!
(Good Grip, 28.9.2021)