Der Morgen in Government Camp ist kalt und grau. Wir gönnen uns in unserem Hotel ein Frühstück, was uns zwar satt macht, aber kulinarisch nicht überzeugt. Die Preise sind allerdings gesalzen und wir hätten manchmal gerne etwas mehr Qualität für das viele Geld.
Um kurz nach 10 Uhr nehmen wir den Bus zurück zur Timberline Lodge, fahren durch die Wolken und sehen bei Sonnenschein und blauem Himmel einen beeindruckenden Mount Hood, an den sich vereinzelt ein paar Wölkchen schmiegen. So schön! Was für ein Unterschied zum gestrigen, regnerischen und grauen Tag.
Die Sonne wärmt uns hier oben erstmal auf, so dass wir Jacken und Regenhosen wieder verstauen können. Durch feinsten Sand gehen wir bergab in Richtung Wald. Wir haben es einfach in dem Zuckersand, aber die entgegen kommenden Wanderer müssen bergauf mächtig kämpfen.
Der Waldweg ist ein Traum, die Sonne scheint vereinzelt durch die Bäume. Dieses Licht ist toll. Was für ein unglaublicher Tag mal wieder auf dem PCT. Wir gehen entweder bergab oder haben flache Strecke, so dass wir sehr schnell voran kommen. Es liegt sicherlich auch an unseren inzwischen "ausgewachsenen" Traillegs.
Wir treffen zwei nette ältere Damen, die sich mit uns etwas ausführlicher unterhalten, und sehen noch diverse andere Sectionhiker. An einem größeren Parkplatz machen wir zusammen mit einer Northbounderin unsere Mittagspause an einem Picknicktisch und erzählen viel vom Trail. Sie ist etwas anders als die anderen Northbounder, ruhig, besonnen und sie kann zuhören. Wir haben eine sehr angenehme Zeit zusammen. Leider vergessen wir zu fragen, wie ihr Trailname lautet. Schade. Sie knabbert ewig an einem Keks herum und ich frage mich, warum sie nicht noch fünf weitere Kekse isst, denn sie ist so klapperdürr. Ich löffele derweil aus meiner Erdnussbutter-Dose und habe fast ein schlechtes Gewissen dabei.
Ab Mittags steigen die Temperaturen und wir genießen die Sonne sehr. Da wir so gut voran kommen, entscheiden wir uns, bis zu einer Tentsite mit Quelle in 14 Meilen zu gehen. Wir kommen sogar vor 18 Uhr an und sind erstaunt, wie schnell wir heute waren, denn wir sind von der Timberline Lodge ja erst um 11 Uhr gestartet.
An der Tentsite stehen schon zwei Zelte von einem Pärchen, die offensichtlich getrennt schlafen. Ist auch eine Möglichkeit, aber irgendwie aufwendig. Die Bäume drum herum sind sehr dicht, so dass es schon früh sehr schattig und kühl an unserem Schlafplatz wird.
Die Nacht war, wie zu erwarten, sehr eisig. Es sind am Morgen nicht mehr als 5 Grad, aber in den Tannenspitzen sehen wir schon die Sonne. Wir starten dick eingepackt, können aber so nach und nach die Klamotten wieder ausziehen und in den Rucksäcken verstauen. Das ist zwar angenehm am Körper, macht aber leider den Rucksack wieder schwerer.
Nach dem gestrigen schnellen und vollen Tag kommen wir heute irgendwie nicht in die Pötte. Wir bleiben immer wieder stehen, pieseln oder brauchen den Spaten, dann haben wir Empfang und checken Mails. Ach ja, wir gönnen uns auch mal einen Trödelvormittag.
Zum Mittagessen stoppen wir am Timothy Lake, der einfach wunderbar aussieht. Es gibt um den See einen groß angelegten Wander- und Radweg. Es sind einige Menschen zu Fuß, joggend oder auch mit dem Kanu auf dem See unterwegs. Mal wieder extrem idyllisch. Wir füllen nochmal all unsere Wasservorräte am zuführenden Flüsschen auf, denn in den nächsten 9 Meilen gibt es erstmal nix. Und so lange wollen wir heute nicht mehr gehen.
Nach der Straße, die wir überqueren müssen, treffen wir 5 Reiterinnen, ansonsten sind kaum Leute unterwegs. Der Weg ist von den Pferden ziemlich zertreten und extrem staubig, so dass ich einen gewissen Abstand zu 2Tall halten muss, sonst inhaliere ich nämlich den ganzen Dreck ein. Aber für mich sind die Pferde natürlich toll anzusehen.
Nach über 14 Meilen bauen wir unser Zelt in der Nähe von britzelnden Powerlines auf, mal sehen, ob ich hier schlafen kann. Der Tag heute war mit dem Wetter, dem Licht, den wunderbaren Bäumen und dem See mal wieder besonders. Danke Oregon!
Seit Wochen hatte ich in der Nacht mal keine kalten Füße, was für ein schönes Gefühl. Es war insgesamt deutlich wärmer und auch im Zelt hat sich keine Kondensation entwickelt. Ich konnte allerdings doch nicht ganz so entspannt schlafen, denn gestern Nachmittag, kurz bevor wir an unserer Tentsite ankamen, haben wir noch "irgendetwas" Riesiges im Unterholz gehört, aber nicht gesehen. Das Tier ist sehr hektisch davon gestürmt und das Knacken der Äste war entsprechend laut. Die Rehe sind nicht so scheu und die unterschiedlichen Häufchen bis Haufen auf dem Weg gehörten eindeutig zu Bären. Tja, also, wie gesagt, ganz entspannt war ich in der Nacht nicht.
Das Sonnenlicht am Morgen des nächsten Tages ist besonders goldig heute, das bleibt auch den ganzen Tag so und wir vermuten, dass es von dem Rauch der Waldbrände kommt. Wir riechen allerdings noch nichts und unsere Atmung ist in keiner Weise eingeschränkt.
Uns kommen immer mal wieder Northbounder entgegen, die wir nach "Late Show" fragen, aber keiner hat sie gesehen. "Late Show" ist die Mexikanerin, die wir in den letzten Tagen getroffen haben und der wir angeboten haben, dass sie mit uns am Dienstag nach Sisters fährt. Vermutlich ist sie doch schon zwei Tage vor uns und hat eventuell eine Mitfahrgelegenheit nach Bend oder Sisters bekommen.
Am Dienstag Morgen wird uns ein Trailangel vom Olallie Lake abholen und uns um die Sperrung bis nach Sisters fahren. Über Facebook hat er sich auf 2Talls Anfrage gemeldet. Einfach nur toll! Von einem Northbounder hörten wir, dass er wohl einfach durch die Sperrung durchgelaufen ist. Wir machen das allerdings nicht und halten uns an die Regeln hier.
Nach 13 Meilen sind wir schon um kurz nach 17 Uhr an unserem Schlafplatz. Das ist aber gut so, denn wir sind beide irgendwie durch für heute. Es war vom Weg angenehm, ging auch mal bergauf, aber vielleicht hat uns der Rauch doch etwas beeinträchtigt. Wir sind froh, an der Trooper Spring zu sein. Die Quelle ist zwar nicht fließend, aber das Wasser einigermaßen kalt und die Fröschchen sehen hier sehr zufrieden aus.
Um kurz nach 18 Uhr kommt ganz unerwartet "Late Show" um die Ecke. Sie war also doch hinter uns. Sie isst ihr Abendessen bei uns, macht sich dann aber auf zum nächsten Zeltplatz, weil die Plätze da wohl größer sind. Hier hätte sie ein Plätzchen hinter zwei umgefallenen Stämmen, über die sie immer hätte steigen müssen, und sie ist nicht sehr groß.
Während des Essens bemerken wir, dass es Asche regnet. Das ist ein komisches Gefühl und wir hoffen sehr, dass die Waldbrände bald unter Kontrolle sind. Unsere Stimmung ist später am Abend leider irgendwie im Keller und wir geraten kurz vor dem Einschlafen noch ziemlich aneinander. Uns hören hier nur die Frösche und die wundern sich bestimmt über die "German Thruhikers".
Uns hängen die aufwühlenden Gedanken am Morgen noch etwas nach und wir starten bei kühlen 4 Grad schweigend auf den Trail. Jeder hängt seinen Gefühlen noch etwas nach. Aber das Wandern in der Natur hilft etwas mit, Dinge im Kopf und im Herzen zu sortieren. Nach einiger Zeit haben wir mal wieder Ausblick auf einige Hügelketten und da sehen wir auch deutlich den Rauch. Über uns ist allerdings blauer Himmel und der Wind hält den Rauch von uns fern.
Wir kommen an mehreren Seen vorbei und um die Mittagszeit müssen wir auf die Schotterstraße wechseln, weil der PCT hier nun gesperrt ist. Die Feuer haben im letzten Jahr ziemlich gewütet und die Gefahr, dass verbrannte Bäume umstürzen, ist wohl immer noch ziemlich hoch.
Unseren letzten Tortilla verspeisen wir am Horse Camp an einem Picknicktisch. Diese Camps sind großartig, es gibt ein kleines Paddock pro Campsite für die Pferde und einen Grillplatz mit Tisch für die Zweibeiner. Es ist aber keine Menschen- oder Pferdeseele hier. Drei Meilen müssen wir nun noch auf der Schotterstraße bis zum Olallie Lake wandern. Das ist nicht sehr erbauend und nervt sehr, aber als wir am See ankommen, öffnet sich ein wunderschöner Blick direkt auf Mount Jefferson.
Es liegen ein paar Kanus und Angelboote am Steg und in dem kleinen Laden werden wir super freundlich begrüßt. Wir kaufen leider hungrig ein, was sich nie gut macht. Ein kühles Getränk, Kaffee, Schokolade, Chips und eine große Gaskartusche für den nächsten Abschnitt nehmen wir mit und setzen uns auf die sonnige Terrasse. Was für ein unfassbar idyllisches Plätzchen. Über dem See kreisen ein Adler und ein Falke. Der Wind ist böig, aber sie segeln gekonnt durch die Luft.
Der Besitzer des Ladens setzt sich zu uns und wir reden über die Natur hier und auch, wie es in Norddeutschland ist. Der Vergleich ist natürlich schwierig und die norddeutsche Tiefebene kommt jetzt bei uns nicht so gut weg. Wir dürfen umsonst unser Zelt bei den Picknicktischen aufstellen, es gibt ein Plumpsklo und eine Wassestelle mit Seife. Was braucht ein Thruhiker mehr?
"Late Show" kommt etwas später und wir essen zusammen, bevor wir uns erfüllt und müde auf die Isomatten hauen. Als wir am Morgen aufwachen, hängt sehr viel Rauch in der Luft. Der Wind hat sich gedreht und vom Berg ist nichts mehr zu sehen.
Dave ist schon um 7 Uhr am See, weil er zwei Hiker hierher gebracht hat. Wir beeilen uns, dass wir bald los kommen, denn die Autofahrt wird wegen der gesperrten Straßen lang werden. Dave ist super nett, er hat uns Wasserflaschen mitgebracht und hat in seinem Auto sogar eine kleine Hikerbox.
Kurz vor Bend, wo wir noch im Outdoorladen einkehren, erreicht uns die Nachricht, dass der PCT im gesamten Staat Californien gesperrt ist. Wie bitte, das kann doch nicht wahr sein, oder? Es war doch bisher nur die Rede von Nord-Californien? Wir sind etwas geschockt und können noch nicht so recht weiter denken, was nach Oregon kommen könnte. Jetzt können wie hier noch einige Trailmeilen wandern und die sollen auch sehr schön sein. Aber was danach kommt, keine Ahnung!?
Nun ist erstmal Zivilisation in Sisters angesagt. Wir sehnen uns nach einer Dusche und unsere staubigen Klamotten benötigen dringend eine Wäsche, außerdem müssen wir wieder Pakete packen, denn die Einkaufsmöglichkeiten sind in den nächsten Trailtowns sehr begrenzt.
Drückt uns die Daumen, dass sich in den nächsten drei Wochen noch etwas wegen der Feuer in Californien ändert, sonst wäre das das Aus für uns auf dem Pacific Crest Trail!
(Good Grip, 1.9.2021)