Bevor wir aus Cascade Locks wieder aufbrechen, besucht uns Stitches noch in unserem Motel. Wir lassen den Abend bei Hefeweizen und Chips auf dem Balkon zusammen ausklingen und erzählen uns von unseren Trailerfahrungen. Stitches ist der deutsche Hiker, den wir kurz vor unserem Start mit der Hostelbesitzerin aus dem Krankenhaus abgeholt haben, weil er auf dem Trail gestürzt war.
Stitches war bei den Traildays, wird jetzt aber nicht weiter wandern. Er macht noch etwas Sightseeing in Portland und wird dann irgendwann wieder nach Deutschland fliegen. Alles Gute für dich! Vielleicht treffen wir uns mal auf dem Westweg.
Am Morgen beantwortet 2Tall noch diverse Geburtstagsmails und um 10 Uhr starten wir dann aus dem kleinen Örtchen Cascade Locks. Noch ein letzter Blick auf die beeindruckende "Bridge of the Gods", dann gehts langsam aus dem Tal des Columbia River heraus. Bevor die 1000 Höhenmeter allerdings starten, haben wir die Gelegenheit, uns etwas einzulaufen.
Wir entscheiden uns, auf dem PCT zu bleiben und nicht den Eagle Creek Trail zu nutzen, den wohl fast alle gehen und der angeblich ja so beeindruckend sein soll.
Punktgenau kommt an unserer letzten Wasserstelle vor dem eigentlichen Aufstieg ein Northbounder vorbei, den wir wegen der nächsten Wasserquelle befragen können. Zum Glück gibt es an der "Teakettle Spring" Wasser, so dass wir nichts hoch schleppen müssen. Das ist super.
Beide Northbounder, die wir treffen, sprechen sofort von dem schlechten Wetter am Vortag. Da hatten wir richtig Glück, dass wir im Ort waren und von dem Regen und dem kalten böigen Wind auf der Höhe nichts mitbekommen haben. Wir haben heute sonniges, aber recht kühles Wetter. Ziemlich perfekt fürs Wandern. Wir fühlen uns gut, kommen schneller voran als gedacht, und auch mein Magen hat sich wieder beruhigt.
An unserer Campsite für die Nacht kommen wir exakt mit einem Northbounder zusammen an, der hier auch unbedingt bleiben will, weil er einen sehr langen Tag hatte. Wir unterhalten uns etwas, er berichtet von Mountain Lions und Bären, er schaut sich an der Campsite um und entscheidet sich dann, doch noch weiter zu gehen. Komisch, lag das jetzt an uns oder war er irgendwie genervt von den schiefen Plätzen? Wir wissen es nicht, wundern uns nur und bauen unser Zelt in einer windgeschützten Ecke zwischen den Bäumen auf. Wir bleiben die Nacht mal wieder allein, was wir inzwischen sehr genießen. Keine Schnarcherinnen oder knarzige Isomatten nebendran.
Nach einem warmen Abendessen (es gibt mal ein Treckinggericht, oft auch nur ein Ramensüppchen oder Kartoffelpü), und nachdem wir alles angezogen haben, was wir dabei haben, flüchten wir vor der Kälte ins warme Zelt. Es ist deutlich unter 10°C und da kann so ein Zelt richtig gemütlich und kuschelig werden. Mann, ist das eisig hier oben!
Wir sind heute zwar nur 11 Meilen gelaufen, aber dafür sind wir beeindruckende über 1000 Höhenmeter geklettert, auf die wir ziemlich stolz sind. Von unserer Campsite haben wir durch die Bäume schon einen ersten Blick auf Mount Hood, aber dem werden wir uns ja in den nächsten Tagen weiter nähern und sicher noch schönere Blicke bekommen.
Ziel dieses Abschnitts ist nämlich die Timberline Lodge, die am Fuße des Mount Hoods liegt. In der Timberline Lodge wurde The Shining gedreht und Jack Nicholsen hat hier mit der Axt gewütet, aber ansonsten ist es eben auch riesiges Skigebiet im Winter.
Bei der Kälte und dem eisigen Wind kochen wir unseren Kaffee am Morgen vom Zelt aus und bleiben dadurch noch etwas warm und geschützt. Mit Regenhose und Handschuhen bewaffnet, beginnen wir unsere heutige Etappe und treffen kaum Wanderer, was wir großartig finden. Wir haben den PCT quasi für uns und von der Northbound-Bubble ist hier "noch" nichts zu sehen.
Die ersten umgestürzten Bäume liegen auf dem Weg und wir bekommen eine Ahnung von dem weiteren Verlauf unseres Trails und der Größe dieser Baumriesen, wenn sie denn einfach irgendwo herum liegen.
Am Wahtum Lake treffen wir auch mal wieder ein paar Tageswanderer, die wie wir diesen wunderschönen See bestaunen. Blau, groß, glatt liegt die Wasseroberfläche vor uns und mit ein paar kleinen Inselchen ist der See wunderschön.
An unserer nächsten Wasserquelle treffen wir auf Vater und Tochter, die ein paar Tage zusammem wandern. Er läuft anlässlich seines 70. Geburtstag 70 Meilen hier in Oregon. Was für eine tolle Idee, dazu sieht er auch noch aus wie 60. Wir können nach dieser netten, sonnigen Pause nochmal richtig tollen Trail auf schattigen Waldwegen mit weichem Tannennadelboden genießen, bevor die unendlichen Blowdowns beginnen.
Was für ein Geklettere durch die umgestürzten Bäume, mal oben drüber mal unten durch. Es dauert alles deutlich länger und anstrengend ist es außerdem.
Und dann kommen uns bestimmt noch 25 Northbounder innerhalb weniger Minuten entgegen, die mal mehr oder weniger freundlich an uns vorbei ziehen. Es sind vorwiegend junge Leute um die 20 und teilweise scheinen sie auf diesem Abenteuer ausgiebig Drogen konsumiert zu haben. Es gibt Jungs mit gehetztem Blick oder aber auch mal welche mit deutlichen neurologischen Ausfällen. Auch wenn in Washington und Oregon der Konsum von THC legalisiert wurde, wäre eine umfassende Aufklärung über Spätfolgen vielleicht nochmal nötig? Wir finden es bizarr und sind echt geschockt.
Nach gut 14 Meilen entscheiden wir, an einer sehr schlechten Campsite, den Tag zu beenden. Wir sind kaputt von dem ganzen Geturne über die Bäume und suchen lange nach einer Stelle, wo unser Zelt einigermaßen gerade steht. Immerhin bleiben wir alleine und haben den Platz für uns. Als wir schon im Zelt liegen, hören wir draußen noch einen Nachtwanderer vorbei ziehen, der uns durchs Zelt freundlich grüßt. Obwohl wir nur ein sehr begrenztes Plätzchen zwischen einem aufrecht stehenden und einem liegenden Stamm haben, schlafen wir hier relativ gut.
2Talls Stimmung ist seit gestern leider ein wenig gedrückt und wir überlegen lange, was los sein könnte. Die vielen Northbounder auf dem Trail sind schon manchmal anstrengend, aber liegts nur an den Leuten oder sind wir auch einfach etwas ko von den letzten Tagen? Die Kälte und das Wandern sind schon anstrengend und mich kostet das schon einige Körner.
Der Wind hat in der Nacht nachgelassen und wir können bei Sonnenschein und etwas höheren Temperaturen heute mal wieder in kurzer Hose starten. Die Baumsituation ist weiterhin anstrengend, bis wir zu dem Bereich kommen, wo ausgiebig geräumt und gesägt wurde. Es gibt auch in Oregon Hiking Clubs, die sich um bestimmte Abschnitte des Trails kümmern, wovon wir hier sehr profitieren. Das ist wirklich klasse, denn so können wir wieder ganz unbeschwert den Waldweg genießen und einfach nur laufen.
Wir kommen nach einiger Zeit an einem großen Parkplatz vorbei, wo wir mal wieder, sitzend an einem Picknicktisch, unser Mittagessen verspeisen. Welch ein Luxus. Zur Zeit essen wir mittags Tortillas mit Thunfisch. Manchmal kommt auch Nussbutter auf den Fladen, aber mittags etwas Deftiges zu haben, tut ganz gut. Auch wenn ich ja schon einige Zeit gar keinen Fisch esse, bin ich hier wieder auf diese Variante umgestiegen. Dieser Parkplatz wäre eine super Möglichkeit, die Wanderer mit Trailmagic zu beglücken, denken wir, aber heute steht nichts bereit. Immerhin gibt es Mülleimer, wo wir unser Zeug abwerfen können.
Etwas aus der Ferne werden wir während unser Pause von einem Tageswanderer angesprochen, der mit seinem dicken Hund unterwegs ist. Er erkennt schnell an unserem Akzent, dass wir aus Deutschland sind, und berichtet von einem tollen Schnitzelessen in Leavenworth (googelt den Ort mal). Schwärme niemals einem Thruhiker von Essen vor, das kann ganz böse enden... Nach einiger Zeit treffen wir Hund und Herrchen nochmal auf dem Trail wieder. Wir erfahren, dass der Typ in Tübingen studiert hat und nun als Food Fotograf tätig ist. Der Hund heißt übrigens Bruno und hat ungefähr die Figur seines Herrchens oder ist es vielleicht umgekehrt?
So viele Menschen hier haben in irgendeiner Weise eine Verbindung zu Deutschland und die Leute unterhalten sich zu gerne mit uns und erzählen uns ihre Geschichten.
Die Steigung von ca. 400 Höhenmetern geht uns super unter den Sohlen davon und wir bekommen den Eindruck, dass wir doch schon Traillegs entwickelt haben. Na endlich...
Am späten Nachmittag verlassen wir dann ausnahmsweise doch mal den PCT und gehen einen anderen Weg, um die Ramona Falls zu sehen. Das Tälchen zum Wasserfall ist idyllisch und der Wasserfall sehr beeindruckend. Wie gut, dass wir diesen "side trip" gemacht haben.
Auch wenn wieder viele Sectionhiker unterwegs sind, finden wir ein einsames Plätzchen zum Zelten zwischen den Wasserfällen und dem Sandy River. Den Fluss müssen wir am nächsten Tag überqueren und von der letzten Erfahrung am Adams Creek wissen wir inzwischen, dass man Gletscherflüsse hier besser am Morgen passiert.
Wir hören den Fluss am Abend in der Nähe laut rauschen, am Morgen können wir ihn auf zwei Baumstämmen gut und einfach überqueren. Das Tal ist sehr steil an den Hängen und extrem breit, wenn der Fluss ganz viel Wasser führt, möchte ich, ehrlich gesagt, nicht in der Nähe sein.
Bis zur Timberline Lodge haben wir noch 10 Meilen und ca. 1000 Höhenmeter zu gehen. Es dauert nicht lange, bis wir in den Wolken sind und unsere Ponchos anziehen müssen. Himmel und Menschen sind hier unterwegs, um Tages- oder Mehrtagestouren zu unternehmen.
Als wir an der berühmten Lodge ankommen, müssen wir an diesem riesigen Gebäude erstmal den Eingang finden. Es ist alles sehr nobel und wir bevorzugen dann doch die Bar nebenan, wo es neben dem Giftshop noch ein Schnellrestaurant gibt. Aber wie sich das für ein nobles Skigebiet gehört, kostet ein Sandwich ein Vermögen und auch der Kaffee scheint mit Gletscherwasser von ganz oben gebraut... Ich finde es absurd hier und könnte mich über diese Preise nur aufregen.
Wir nehmen den Bus, der erstaunlicherweise nur 2$ kostet in den Ort "Government Camp" , wo wir eine Nacht verbringen werden. Wie gut, dass 2Tall schon vorher etwas für uns reserviert hat, denn "Late Show", die mit uns den Bus genommen hat, bekommt hier kein Zimmer mehr.
Der Ort ist sehr klein und der Lebensmittelladen nicht unbedingt hikerfreundlich ausgestattet. Aber wir können duschen, unsere Klamotten waschen und eine riesige Pizza im "Ratskeller" essen. Der Ratskeller ist eine Sportsbar mit diversen Fernsehern und Ballerspielautomaten, es ist laut, es ist schräg, aber es gibt Pizza. Endlich mal wieder Pizza, wovon 2Tall schon seit Tagen träumt!
Wir schlagen uns ohne Reue die Bäuche voll, denn wir haben beide schon einige Kilos abgenommen. Guten Appetit!
(Good Grip, 27.8.2021)