Auch wenn wir Packwood heute wieder verlassen, möchte ich noch kurz von den Erfahrungen im "Packwood Inn" berichten. Das war ja kein billiges Zimmer, auch wenn wir "nur" den Hiker Preis von etwas über 100$ bezahlt haben.
Der Kühlschrank im Zimmer war leider kaputt und hat uns einfach mal unsere Sachen tiefgefroren. Das, was der Kühlschrank zuviel gemacht hat, hat der Typ an der Rezeption eindeutig zu wenig gemacht. Unsere Wäsche hat er nämlich vergessen weiterzugeben, und am nächsten Morgen bekamen wir sie dreckig und stinkig zurück. Das war eine Überraschung, die in die Nase ging. Dann wurde der gestrige Abend noch mit einem einstündigen Gekläffe und Kratzen an der Tür von nebenan untermalt. Ok, da konnte das Hotel nichts dafür, wenn die Leute einfach Essen gehen und ihre Töle im Hotelzimmer zurück lassen. Es gab noch das ein oder andere interessante Detail im Motel, aber insgesamt hat uns Packwood nicht überzeugt. Auch der Supermarkt war nicht so gut sortiert und teilweise standen wir vor leeren Regalen und mussten unseren Proviant für den nächsten Abschnitt etwas zusammen puzzeln.
Aber an dem Morgen, als wir wieder aufbrechen, sind wir fast wieder versöhnt, denn wir sehen diverse Wapitihirsche im Garten des Hotels und sind entsprechend überrascht. Völlig gelassen grasen die großen Viecher neben dem Grill und der Hängematte. Ein herrlicher Anblick.
Den Weg zurück zum White Pass wollen wir wieder per Anhalter fahren, was an diesem Morgen aber nicht ganz so einfach ist. Nach ca. 25 Minuten hält dann aber doch ein Ehepaar an, was gerade auf dem Weg zu einem Großeinkauf in die nächstgrößere Stadt ist und uns am White Pass absetzt.
Am Pass gehts erstmal wieder hoch, die Steigung ist angenehm und gut zu machen. Wir treffen nicht nur auf Blaubeeren am Wegesrand, auch eine Gruppe von drei Damen, drei Mulis und zwei Hunden überholt uns. Was für eine tolle Truppe.
Komischerweise sind heute diverse grummelig dreinschauende Northbounder unterwegs. Ist irgendetwas passiert, warum gucken die Leute so missmutig? Wir verstehen es nicht.
Wir laufen ca. 12,5 Meilen bis zum Lutz Lake. Das Wasser ist zwar etwas braun, weil der See eher die Größe eines Ponds hat, aber die Campsite ist wunderbar ruhig und wir sind fast allein. Ein anderes Pärchen zeltet in der Nähe und am Abend unterhalten wir uns noch etwas und tauschen Informationen über die kommenden Meilen aus.
Der nächste Tag wird uns die Goat Rocks Wilderness mit Knife Edge bescheren, wovon uns schon so viele Leute vorgeschwärmt haben. Am Morgen ist es schon ziemlich warm und wir schwitzen ordentlich beim ersten Anstieg. Wir holen nochmal Wasser, machen eine kleine Pause, bevor es richtig alpin wird und steil geht. Mann, das sind wir so gar nicht gewohnt. Es sind nicht nur die unfassbaren Blicke, die uns dabei den Atem nehmen.
Wir riechen etwas Rauch und auch Mount Rainier hat einen Dunstring um sich. Aber trotzdem ist er gut mit seinen Gletschern und Schneefeldern zu erkennen.
Es sind eine Menge Leute in beide Richtungen unterwegs. Auch werden in diesen steilen Abschnitte Pferde geritten. Interessant wird es dann natürlich an den Engstellen. Wir pressen uns einmal an einen Felsen und die Reiterin gibt uns den klaren Hinweis, dass wir weiter ausweichen müssten, denn die Mulis hätten Boxen und würden uns treffen. Ach so, danke, das ist ja nett, dass sie das ankündigt... Also fliegen wir an dieser engen Stelle einfach, oder wie?
Wir sind langsam unterwegs und brauchen ewig für diesen besonderen Abschnitt des PCT. Kurz vor dem Abstieg müssen wir noch zwei Schneefelder überqueren. Diese Felder sind nicht ganz ohne, sie sind rutschig, schräg und was unter dem Schnee ist, weiß natürlich kein Mensch.
Bis zu unserer Campsite am Sheep Lake sind es noch einige Meilen. Ich bin ziemlich durch, als wir dort ankommen. Ich kann kaum noch gerade stehen. Die Höhe, die Anstrengung, der Tag haben mich komplett umgehauen. Am Sheep Lake übernachtet auch eine Gruppe, die mit Lamas unterwegs ist. Die Gruppe hat offenbar auch noch andere Themen als nur Wandern, denn 2Tall sieht beim Wasser holen, wie sie einen Sitzkreis machen, und am Abend hören wir auch noch jemanden Panflöte spielen.
Als wir an unserem dritten Tag aufwachen, können wir den Rauch der weit entfernten Waldbrände deutlich riechen, und die Bergketten sind fast im Dunst verschwunden. Welch ein Glück, dass wir gestern soviele tolle Aussichten noch rauchfrei genießen konnten.
An unserer ersten Wasserstelle treffen wir auf drei Thruhiker und eine Sectionhikerin, die alle super nett sind. Ihre Trailnamen lauten: Songbird, Read, Ultraviolet und Jackpot. Schön wäre es, wenn wir noch all ihre Geschichten hinter diesen Namen erfahren, aber sie sind quasi schon wieder auf dem Sprung, denn wer 35 Meilen und mehr machen will, hat nicht viel Zeit zu vertrödeln. (Zur Info: 10 Meilen sind 16 km!) Wir planen ganz bescheiden, einen Tag mit 16 Meilen zu machen, aber leider hat sich bei mir an der Ferse schon wieder eine Blase entwickelt. Doof.
Der Weg verläuft angenehm am Hang und ein Reh hüpft vor uns auf dem Trail entlang. Diese Idylle ist kaum zu fassen. Auch das Gebiet mit den unzähligen Ponds ist landschaftlich ein Traum, aber die Natur schlägt in Form von hungrigen Fliegen- und Mückenschwärmen voll zurück. Pausen oder Pinkeln sind gestrichen, wir rasen durch dieses Gebiet und auch mit Spray und Kopfnetz bewaffnet, finden diese Viecher irgendwo immer noch Haut zum Stechen.
Auch wenn wir relativ früh an unserer geplanten Campsite sind, bleiben wir hier und bauen unser Zelt auf. Der gestrige Tag hat echt Körner gekostet und etwas Pause tut uns und meiner Blase am Fuß gut. 2Tall legt mir mal wieder ein Fädchen durch die Schwellung, um die Flüssigkeit auszutrocknen, und ich hoffe sehr, dass ich damit für den nächsten Tag schmerzfreier bin.
Es kommen noch mindestens 10 andere Hiker zu dieser Campsite und dadurch wird es richtig voll hier. Die meisten Thruhiker bemerkt man kaum, sie kommen spät ins Camp, essen, schlafen und machen sich morgens gegen sechs Uhr wieder auf. Die Sectionhiker benehmen sich da schon anders und eine Gruppe von fünf Frauen ist besonders redselig. Nicht nur, dass jeder im Camp nun weiß, was sie morgen anziehen werden, sie gehen einzeln auch mindestens fünf mal zum Wasser, was immer sie da so oft wollen. Wir haben quasi den Logenplatz und können alles ganz genau beobachten, während wir zu Abend essen.
Als wir gegen 20 Uhr im Zelt liegen, die Frauen weiterhin zum Wasser und zurück laufen, kommen sogar noch zwei Reiter vorbei, die hier aber wohl nur einen Tagesritt machen, denn Gepäck kann ich nicht erkennen.
Wir sind die letzten, die das Camp verlassen am nächsten Tag, was uns aber so gar nichts ausmacht. Wir sind voraussichtlich die langsamsten Sobos auf dem gesamten Trail. Wir passieren Lavafelder und kommen zur Lava Spring, die uns unfassbar kaltes Wasser schenkt. 2Tall versucht, seine Füße darin zu kühlen, was aber nur ein paar Sekunden gelingt. Das Wasser hat vielleicht ein bis zwei Grad, mehr kann es nicht sein. Was für ein besonderer Platz in diesem schwarzen Lavafeld!
Nach einer gewissen Zeit muss ich doch nochmal an meiner Ferse rum doktern, denn jeder Schritt ist mit Schmerzen verbunden, die ich einfach nicht mehr ignorieren kann. Die vorbei kommenden Hiker sind alle super nett und hilfsbereit und ein Schweizer schenkt mir ein richtig gutes Blasenpflaster, was wir hier in den Läden noch nicht gefunden haben. Mann, die Menschen sind toll und nachdem meine Ferse nochmal Flüssigkeit ablassen konnte, kann ich mit diesem Gelpflaster etwas besser laufen. Vielen Dank "Big Boy"!
Der Weg geht ruhig weiter bis wir zum Adams Creek kommen. Ein tosendes Geräusch und weit und breit keine Brücke. Moment, das hat uns aber kein Nobo verraten. In der Guthook App steht irgendetwas von "easy rock hopping", aber das passt so gar nicht zu der Höhe des Wasserstandes hier, und auch nicht zu der reißenden Strömung. Wir beobachten ein Pärchen, was barfuß in einer ziemlich waghalsigen Aktion über den Fluss kommt. Hmm, das Wasser ist milchig grau, eiskalt und das Rauschen ohrenbetäubend. Wegen der Hitzewelle ist voraussichtlich einiges vom Gletscher des Mount Adams geschmolzen und hat den Fluss ansteigen lassen.
Wir haben gesehen, dass es möglich ist, also probieren wir es auch. Schuhe aus, Handy sicher in die Plastiktüte verpackt und dann mal los. Die kleinen Baumstämme, die teilweise quer liegen, bieten zwar Halt, wackeln aber auch etwas, und so wird es zu einer richtig heftigen Aktion, die uns das Adrenalin durch die Adern bläst. Wir kommen am anderen Ufer an, aber das war nicht ungefährlich und ich brauche das definitiv nicht so bald nochmal.
Die drei Sectionhiker auf der anderen Seite entscheiden sich gegen die Überquerung und planen ihren Trip komplett neu. Sie können sich nicht vorstellen, dort herüber zu kommen. Wir gratulieren ihnen zu diesem schlauen Entschluss und können es fast selbst nicht glauben, dass wir so waghalsig waren, dieses Flussmonster zu durchqueren.
Wir gehen noch ca. drei Kilometer bis zu unserer Campsite. Es ist ein tolles Plätzchen und es gibt Unmengen an Blaubeeren um uns herum. Es kommen noch zwei späte Wanderer vorbei, die aber nicht hier zelten. Wir bleiben allein und genießen die kühle Nacht.
Auch am nächsten Morgen müssen wir einen milchigen Gletscherfluss überqueren, aber der Wasserspiegel ist über Nacht deutlich gesunken und Rockhopping tatsächlich möglich. Klar, nachts gibt es wegen der niedrigeren Temperaturen einfach weniger Schmelzwasser am Gletscher!
Wir haben noch 10 Meilen vor uns, bevor wir an die Straße nach Trout Lake kommen. Es ist wieder sehr warm, aber der schattige Wald ist herrlich und am frühen Nachmittag kommen wir an der Straße an. 2Tall kontaktiert nochmal den Trailangel, der uns schon eine Unterkunft im Ort organisiert hat. Er holt uns sogar ab und fährt uns direkt zu der Dame, die uns für zwei Tage und sehr kleines Geld in ihrem Haus aufnimmt. Wir haben hier in Trout Lake eine tolle Zeit, und wir erholen uns wunderbar. Vielen Dank an unsere tollen Trail Angel!
Der nächste Abschnitt bringt uns dann zur Bridge of the Gods und damit an die Grenze zum Bundesstaat Oregon. Auf zum letzten Teil von Washington!
(Good Grip, 15.8.2021)