Wir wollen noch einen Abschnitt der Traviesa wandern und fahren, mal wieder, mit dem Bus nach Roque Faro. Diesmal lassen wir das Auto aber in Las Tricias stehen und warten dort auf den Bus. Leider kommt er 10 Minuten zu spät, aber es wartet noch eine andere Frau mit uns, so dass wir uns diesmal ziemlich sicher sind, dass überhaupt ein Bus kommt und wir auch an der richtigen Stelle stehen.
Der Bus kommt dann auch, und die rasante Fahrt ist uns etwas unheimlich. Der Busfahrer kennt die Strecke, klar, aber die 10 Minuten kann er doch sowieso nicht mehr aufholen, warum dann also soviel Stress und Hektik bei den Serpentinen?
Das Wetter ist klarer als klar und von Roque Faro können wir "mal wieder" die Obervatorien auf dem Roque de Los Muchachos glasklar erkennen. Dieser klare, blaue Himmel hier, das ist wirklich besonders. Der gefällt mir sehr.
Wir stapfen 200 Höhenmeter hoch durch den Kiefernwald und kommen auf die Traviesa, die uns bis kurz hinter Las Briestas erst einmal begleitet. Der Weg ist zu Beginn breit und gemütlich, und auch die Kiefernnadeln sind mal wieder schwingend, weich unter den Sohlen. Toll.
Wir genießen die Bäume und die Ruhe sehr und können ein wenig die nervigen, letzten Tage hinter uns lassen. Wir sind beide immer noch irritiert, dass wir uns von solch blöden, äußeren Umständen so dermaßen aus dem Konzept bringen lassen.
Wäre, hätte, könnte... Wir haben mal wieder etwas von uns erfahren, was wir hoffenflich beim nächsten Stress einfach wegatmen können...
Wir kommen an einigen Häusern vorbei, passieren Schafe und Zäune und müssen dann über einen Hof gehen, der Weg führt tatsächlich mitten durch. Dort herrscht das absolute Chaos, altes Holz, Stöcker, überall. Ein riesiger, stinkender Haufen mit faulenden grünen Bananen, Hühner und deren Kleckse... Es ist schlimm.
Und dann bellen Hunde, total aggressiv und wir sind uns nicht sicher, ob es jetzt besser wäre, auf die nächste Kiefer zu klettern oder sich einfach in Luft aufzulösen. Wir tasten uns vorsichtig um die Hausecke und sehen zwei Köter, die zum Glück angekettet sind. Natürlich regen sie sich maßlos auf, dass wir hier über ihren Hof marschieren, aber wir hätten den Weg definitiv auch woanders geplant, wenn es nach uns gegangen wäre.
Das zum Thema, den Stress einfach wegatmen. Der weitere Weg ist leider ziemlich zugewachsen und Erinnerungen an Neuseeland werden wach gerufen. Allerdings gibt es hier kein "Gorse", ein sehr pieksiges Gestrüpp, was uns in Neuseeland regelrecht aufgeritzt hat.
Dank des GPS und der Karte lotst uns 2Tall in die richtige Richtung und es geht weiter nach La Briestas. Dort gilt es noch einen Barranco zu durchqueren. Vor einigen Tagen sahen wir vom Auto aus, dass der Weg abgesperrt war.
Wir versuchen es trotzdem und gehen nicht auf der befahrenen Straße. Es hat in diesem Barranco vor einiger Zeit gebrannt, was noch deutlich an den Bäumen zu sehen ist, und wir können auch noch den Holzkohlegeruch ausmachen. Aber wir kommen ohne Probleme bis an die Straße, wo wir einfach über das Flatterband steigen können. Der Weg wurde hier ausgebessert und auch das Geländer erneuert. Für heute sind die Bauarbeiter fertig, und wir können passieren.
Direkt oberhalb dieses Barrancos und der Straße befindet sich das Restaurant "La Briesta", wo wir für einen Kaffee einkehren. Wir können draußen sitzen, genießen den Cafe con leche und bekommen einen Gruß aus der Küche. Drei sehr scharf gewürzte und sehr ölige Kartöffelchen. Gar keine Frage, nett und lecker, aber mein etwas irritierter Wandermagen nimmt mir das übel und die Kartoffeln geben mir noch bis zum Abend regelmäßig "Pfötchen".
Um La Briesta gibt es ein großes Weinanbaugebiet des sogenannten Tea-Weins. Wir sind nicht so die Weinkenner, aber die Pflanzen wachsen auf Terrassen in Vulkanerde mit einem unglaublichen Ausblick und riesigen Kiefern als Nachbarn. Da würde ich als Wein auch ein besonderes Aroma haben.
Uns kommen hinter La Briesta tatsächlich noch zwei Wanderer entgegen. Jetzt geht es ja in Richtung Las Tricias, da ist es immer etwas belebter und auch touristischer.
Aber der Abstieg ins Dörfchen wird nochmal wunderschön mit dem Wald, der Sonne und dem angenehmen, knieschonenden Wanderweg. Wir passieren im Ort sogar noch ein kleines Observatorium. Nicht zu vergleichen mit den riesigen Gebäuden auf dem Roque de Los Muchachos, aber Astronomiebegeisterte könnten hier ihr europäisches Mekka finden.
Wanderer*innen und Sternbeobachter*innen müssen nach La Palma. Definitiv!
(Good Grip, 23.4.2021)