Wir kennen schon ein paar Wege hier auf der Nordwestseite der Insel, aber den Abstieg von Roque Faro nach Santo Domingo haben wir uns für heute aufgehoben.
Wir parken das Auto in Santo Domingo und nehmen den Bus um 12 Uhr nach Roque Faro. Es sind nur fünf Passagiere im Bus und vier steigen in dem kleinen Örtchen Roque Faro aus. Das Wetter ist schön, aber ab und zu schieben sich auch ein paar Wolken vor die Sonne. Trotzdem perfektes Wanderwetter, nicht zu heiß, nicht zu kalt, schattig unter den Kiefern und weiche Nadeln unter den Schuhen.
Die Observatorien am Roque de Los Muchachos können wir wegen der Wolken heute nicht sehen, aber das stört uns nicht. Tatsächlich gibt es irgendwann noch einen Minischauer, den wir völlig irritiert, aber geschützt unter einem Baum abwarten. Er dauert ungefähr drei Minuten, passt aber genau zu diesem Tag.
Wir sind immer noch recht hoch, und das macht den Weg nicht ganz so heftig mit den tiefen Barrancos, die wir eben nur "ankratzen" und nicht komplett durchwandern. Wir versuchen ein leichtes Auf und Ab zu genießen und sehen diverse Schafdroppings auf dem Weg, die sich auch mal in unser Schuhprofil mogeln, aber die Urheber der Häufchen treffen wir nicht.
Wir sehen auch mal wieder keine anderen Wanderer und finden das herrlich. Selbst um La Zarza ist keiner, auch wenn der Parkplatz recht voll ist, es sind wohl alle vom Urwald-Barranco verschluckt.
Und dann treffen wir doch noch ein Schaf, mitten auf dem Wanderweg, auf der Seite liegend und hechelnd. Was für ein erbärmlicher Anblick! Wir versuchen Hilfe zu organisieren. 2Tall telefoniert, wir hoffen, irgendwen an die Strippe zu bekommen, der wenigstens englisch spricht, aber vergebens.
2Tall spricht auf den Anrufbeantworter der Aufzuchtstation von alten kanarischen Tierrassen, denn die befindet sich nicht weit von uns. Aber ob die das verstehen, sich noch rechtzeitig kümmern können und werden? Alles sehr fraglich.
Ich gebe dem Schaf etwas Wasser, was es auch leckt. Dann zupft es sich selber etwas Gras ab und wir legen noch einiges dazu. Ich versuche, das Vieh irgendwie auf die Beine zu stellen, aber es scheint keine Kraft zu haben. Ich vermute, dass es Probleme mit dem Pansen oder Labmagen hat, denn irgendwann lässt es auch eine Menge Luft nach oben ab. Rülpsen ist gut, das hilft hoffentlich und lindert vielleicht Schmerzen.
Wir können leider nicht viel mehr machen und laufen weiter. Meine Gedanken sind noch lange bei dem Tier, ich hätte gerne mehr gemacht, aber die Umstände und unsere Unwissenheit ließen einfach nicht mehr zu.
Wir sind von der Unterkunfts-, der Schlaf- und der Schaf-Situation irgendwie geplättet und versuchen, mit dem Wandern durch diese wunderbare Natur, die Gedanken um Ungerechtigkeiten, Traurigkeit, Tod und Sterben verarbeiten zu können. Wenigstens ein bißchen.
Bis Santo Domingo sind es noch ein paar Kilometer und tatsächlich auch noch ein paar Höhenmeter bergab. Wir können das Örtchen bald schon sehen und den finalen Schlussanstieg vom letzten Trip erkennen wir sowieso.
Da wir diesmal von einer anderen Seite kommen, erleben wir noch ein paar urige Gassen und Sträßchen des Orts und sind begeistert von diesem etwas maroden Ambiente. Bis zu unserem Auto sind es nur noch ein paar Schritte. Wir kurven den Weg zurück nach Puntagorda und wollen nach der Dusche noch eine Pizza essen gehen. Das brauche ich nach diesem Tag, ja, ich gebe es zu, ich bin manchmal eine emotionale Esserin.
Aber der Tag endet leider anders als geplant, denn es gibt noch einige Mails wegen der Unterkunft, die nicht gerade erfreulich sind, und die Pizzeria hat leider zu. Doof.
Irgendwie läuft es gerade nicht so rund und wir hoffen, dass wir in den letzten Tagen hier noch die Insel, die Landschaft, die Sonne, die wunderschönen Blumen und die leckeren Früchte genießen können. Wer braucht schon Pizza...
(Good Grip, 22.4.2021)