Das erste Mal beginnt eine Tour damit, dass wir unsere Regenjacken anziehen. Wir sind in den Wolken, und bei leichtem Nieselregen laufen wir von unserer Unterkunft zur Bushaltestelle ins Zentrum von Barlovento.
Der Bus fährt pünktlich los, muss aber wegen der Straßensperrung auch die kleine Bergstraße nehmen, die wir schon bei unserer Anfahrt nach Barlovento kennen- und lieben gelernt haben. Es ist eine kleine, enge, liebliche, sehr besondere Straße, aber für erhöhtes Verkehrsaufkommen überhaupt nicht zu gebrauchen. Denn natürlich können ein Bus und ein LKW nicht einfach aneinander vorbei fahren. Da muss rangiert und zurück gesetzt und sehr genau geschaut werden, bevor die beiden Fahrzeuge im Schneckentempo aneinander vorbei ruckeln.
Ich habe das Gefühl, unser Busfahrer weiß, was er tut. Die ältere Dame vor uns traut dem Ganzen wohl weniger, sie stöhnt immer wieder auf und krallt sich so dermaßen an ihrem Griff fest, den sie natürlich vorher ausgiebig abgewischt und desinfiziert hat, dass ich befürchte, das Ding zerbröselt gleich...
Wir sind uns plötzlich nicht ganz sicher, ob wir auf dieser Strecke überhaupt nach Franceses kommen, aber plötzlich biegt der Busfahrer auf ganz neuen Asphalt in die Tiefe ab und fährt auch an einigen Baufahrzeugen vorbei. Brandneuer Asphalt, vielleicht noch nicht offiziell eröffnet, aber das ist definitiv eine Abkürzung, bzw die einzige Anbindung an das Wohngebiet um und in Franceses.
Mit etwas Verspätung kommen wir in dem Dorf an und laufen erstmal lange, steil bergab in den Grund eines mächtigen Barrancos. Die Küstenausblicke werden immer schöner und auch der Schatten im Barranco ist klasse, denn heute ist es irgendwie schwül. Die Regenjacken sind schon lange wieder im Rucksack verschwunden und auch die wärmeren Pullover sind ausgezogen. Das Wetter habe ich noch nicht so ganz für mich sortiert. Ich liebe die Sonne, die aber so stark ist, dass wir norddeutschen Weißnasen eigentlich sofort verbrennen. Wenn der Wind auffrischt oder wir auch mal eine zeitlang im Schatten wandern, fange ich sofort an, zu frieren. Und auch abends, in den ungedämmten, heizungslosen, kanarischen Häuschen friere ich wie ein Schneider. Hätte ich das gewusst, hätte ich mir meine Filzpantoffeln und eine Wärmflasche eingepackt. Aber nun gut...
Der Aufstieg aus dem Barranco ist schweißtreibend und die Menge an Geckos hier muss enorm sein, denn das Geraschel im trockenen Laub begleitet uns sehr lange und es ist auch ziemlich laut.
Am Gegenhang angekommen eröffnet sich ein weiterer unglaublicher Blick auf die Küste. So schroff, so schön.
Durch diverse Plantagen und Gemüseterrassen geht es steil in den Ort Gallegos. Dieser wirkt etwas herunter gekommen, aber die Bar hat auf und die Kätzchen liegen entspannt an den Hauswänden. Hier scheint die Welt noch in Ordnung.
Direkt im Ort wartet der nächste Barranco. Bevor wir absteigen treffen wir auf ein Wanderpärchen mit sehr großen Rucksäcken. Er guckt etwas genervt, wir erfahren aber nicht warum, denn wir kommen nicht ins Gespräch. Der Abstieg ist geprägt von Ziegendroppings und Glöckchengeläut. Wir sehen die haarigen Vierbeiner sogar kurz, bevor sie im Gestrüpp verschwinden und Deckung suchen. Der Geruch ist allerdings eindeutig, wer hier haust.
Wir haben nach dem Aufstieg aus dem Barranco noch eine Strecke zu gehen, werden aber dann mal wieder von einem Jogger überholt, der uns tatsächlich heute morgen in Franceses entgegen gekommen ist. Die Waden sind entsprechend und ich möchte nicht wissen, wieviel Kilometer und Höhenmeter der Typ heute gemacht hat.
Wir sind jedenfalls nach den 13 km ziemlich ko und spüren jeden Höhenmeter in unseren Knochen.
Kaputt, aber glücklich laufen wir in Barlovento ein und schaffen mit letzter Kraft den obligatorischen finalen Schlussanstieg zu unserem Häuschen.
(Good Grip, 20.3.2021)