Ein zusätzlicher Ruhetag in Taumarunui bringt etwas Erholung, wenn sich aber die schlechte Wettervorhersage als komplett falsch herausstellt, ist das schon etwas ärgerlich. Denn den Ruhetag hatten wir uns wegen kräftiger Regenschauer "verordnet". Wir haben also tatsächlich zum ersten Mal eine Waldpassage ausgelassen, die 42 Traverse, und haben dabei schon ein schlechtes Gewissen bzw. waren davon leicht genervt.
Am folgenden Nachmittag nehmen wir den Intercity Bus von Taumarunui nach National Park (30 Minuten Fahrt) und begeben uns auf alte Spuren. Vor vier Jahren haben wir hier den Northern Circuit gemacht, aber wegen Wolken, Nebel und Regen rein gar nichts gesehen. Also nun ein zweiter Versuch. Und tatsächlich sind die Aussichten für den nächsten Tag ganz gut. Ab mittags soll es sich zwar zuziehen, aber eventuell haben wir dann ja schon ein paar Sachen gesehen. Der Ort National Park besteht vorwiegend aus Unterkünften, Hotels und Lodges, die wohl besonders im Winter hier ihr großes Geschäft machen. Netterweise bekommen wir in unserer Unterkunft ein Upgrade und haben sogar ein eigenes Badezimmer. Wir gehen noch kurz zum kleinen, völlig überteuerten Supermarkt und bekommen einen Eindruck vom Ort, der leider stellenweise etwas herunter gekommen ist.
Zwischen kleinen Privathäusern stehen auch mal luxuriöse Ferienvillen, die das ambivalente Gefühl verstärken. Ok, wir wollen hier ja nicht leben, sondern nur den Tongariro Crossing machen, aber ein komisches Gefühl bleibt trotzdem. Am nächsten Morgen geht es mit einem Shuttlebus zum Start, wo schon Unmengen an Leuten aus Tour-Bussen ausgespuckt wurden. Wir finden es schrecklich und starten direkt, um von diesen Massen wegzukommen. Der Te Araroa geht von der anderen Seite hoch, hat natürlich mehr Höhenmeter und verläuft entgegengesetzt des Touristromes. Wir haben den etwas leichteren Aufstieg und den leichteren Rucksack, ohne Zelt, Isomatte, Schlafsack. Wir slackpacken mal wieder und zahlen dafür einen hohen Preis. Mit diversen Deutschen, Schweizern, Chinesen, Schweden usw. geht es unzählige Treppen hoch, bis wir ein Plateau erreichen, woran wir uns auch noch erinnern können. Dann ein letzter Aufstieg und wir sind am höchsten Punkt (1886m) angekommen und können die blauen Seen sehen. (Ja, auch hier können wir Seen sehen. Das geht nicht nur in Maine.) Auf dem Gipfel treffen wir San Remo, alias Steffen, der von der anderen Seite hochgekraxelt ist. Er erzählt uns, was wir verpasst haben, sind aber doch relativ erleichtert, dass auf der 42 Traverse nicht das schönste Stück des Te Araroas liegt. Wir machen eine kleine Mittagspause an den Seen und atmen schwefelhaltige Luft ein, die zum Glück nicht so stark ist, dass sie uns die Sinne vernebelt. Eine Touristin holt erstmal ihren Aquarellblock und Farben heraus, um diese besondere Mondlandschaft einzufangen. Das Wasser der Emerald Lakes und auch die Spitze vom Mount Ngauruhoe (Mount Doom aus "Herr der Ringe") dürfen nicht berührt bzw. bestiegen werden. Seit diesem Jahr gibt es das Verbot, weil die Landschaft für die Maoris heilig ist. Gut so, denn inzwischen laufen über 100000 Menschen jährlich den Tongariro Crossing.
Es ist deutlich kühler hier oben und nach gefühlter Ewigkeit ziehen wir mal wieder unsere Jacken an. Beim Abstieg treffen wir Dan aus Hawaii wieder und auch Karima läuft an uns vorbei, die Ende November mit uns im Bus nach Kerikeri saß. Es dauert dann noch ca. 2,5 Stunden, bis wir mit all den Leuten unten am Carpark wieder ankommen. Wir sind von der Höhe, aber vielleicht auch von der Touriveranstaltung, etwas geflasht und haben Kopfschmerzen. In unserer Unterkunft kochen wir uns einen großen Pott Nudeln und gehen früh schlafen. Komischer Tag irgendwie. Wir fahren am nächsten Tag wieder mit dem Intercity Bus zurück nach Taumarunui und lassen uns von der Kanufirma abholen, denn sie werden uns morgen mit dem Kleinbus nach Whakahoro nehmen, von wo der TA zur Bridge of Nowhere geht. Die "Macher" des Trails haben sich da eine wirklich unfassbare Wegführung ausgedacht.
Denn von der Brücke, mitten im Wald, kostet es ein Vermögen, sich dort ein Kanu hinbringen zu lassen und man kann nur auf dem Fluss weiterkommen, sonst gibt es da nichts. Die meisten Wanderer starten also früher mit dem Kanu und machen entweder 3 Tage mit dem Kanu bis Pipiriki oder 5 Tage bis Whanganui. Die Flussfahrt gilt als Great Walk und muss deswegen extra gebucht werden, kostet deswegen natürlich auch mehr. Wir haben ja vor 4 Jahren diese Tour schon gemacht und wollen diesmal bis zur Bridge laufen. Dann lassen wir uns mit dem Jetboot nach Pipiriki bringen und steigen dort auf die Fahrräder nach Whanganui. Eine logistische Meisterleistung, die 2tall da für uns erbracht hat, denn Fahrräder, Jetboot und Gepäcktransport werden natürlich von drei verschiedenen Firmen angeboten. Verrückt. Die Nacht vor dem Shuttle nach Whakahoro verbringen wir bei der Familie, die den Kanuverleih betreibt und die uns auch die Fahrräder verleiht. Sie stellen eine große Wiese für Zeltplätze bereit, aber auch einen Container. Da die Wetteraussichten mal wieder mäßig sind, entscheiden wir uns für den Container. Es ist schwülheiß und die Temperaturen im Container liegen bei ca. 30°C. Letztendlich stellen wir das Zelt neben den Container unter ein Dach auf und können quasi mit "offenen Türen"schlafen.
Der Familienbetrieb der Kanufirma ist schon original. Es ist alles etwas chaotisch, aber sie sind super hilfsbereit und organisieren für jeden die entsprechende Tour. Am Abend erleben wir noch eine indische Jetboottour, da das Boot direkt vor unserem Container vollbeladen mit dem Trecker zu Wasser gelassen wird. Die Inder binden sich ihre Kappen, Hüte und Turbane mit weißen Tüchern um den Kopf, als hätten sie Zahnschmerzen. Das sieht wirklich witzig aus. Nach einer wilden Drehung auf dem Wasser grinsen aber alle so breit, dass klar ist, dass keiner von ihnen Schmerzen hat.
Leider schlafen wir sehr unruhig im Zelt. Haben wir ja auch länger nicht gemacht, nach diversen Tagen in weichen Hotelbetten. Wir gehen um 8 Uhr zum Haus, wo eine Kanugruppe noch ihre Sicherheitsunterweisung erhält. Währenddessen checkt 2tall nochmal Mails und wir bekommen einen heftigen Dämpfer, denn seine Kreditkarte ist gesperrt, weil illegal eine Menge Geld abgehoben wurde. Die Karte wurde also gehackt und wir sind total geschockt. 2tall versucht noch, die Kreditkartenfirma zu erreichen, aber das klappt leider nicht. Wir sind ja die nächsten 4 Tage in der Wildnis, wo es keinen Handyempfang geben wird, und so müssen wir abwarten und hoffen, dass es kein Problem gibt mit der Rückerstattung des Geldes. Doof, denn es macht uns ganz schön unruhig.
Um 10 Uhr lässt uns der Bus an der DOC Campsite Whakahoro raus, wo der Fahrrad- und Wanderweg (Mangapurua-Kaiwhakauka Track) zur Bridge of Nowhere geht. Das gesamte Gebiet sollte nach dem 1. Weltkrieg eine große Siedlung werden. Die Siedler bekamen Geld dafür, dass sie das Land gerodet und Flächen für die Schafzucht geschaffen haben. Aber es stellte sich heraus, dass es sich doch alles nicht so entwickelte wie erhofft und so wurde 1942 der letzte Siedler gebeten, das Gebiet zu verlassen. Am Wegesrand sehen wir immer wieder Holztafeln, mit den Namen der Siedler, die hier gelebt und versucht haben, sich ein neues Leben aufzubauen. Die Landschaft ist schroff, aber auch schön, wir genießen die Ruhe und treffen nur vereinzelt mal auf Mountainbiker, die hier in einem Tag durchrasen. Wir sehen noch alte Kamine, die mitten auf Schafsweiden stehen. Aber auch Schafe und Rinder sind rar, vorwiegend hören wir Vögel und ab und zu flüchtet ein Kaninchen vor uns. Unsere erste Nacht wollen wir an der Trig Campsite machen. Aber leider gibt es da kein gutes Wasser. Das kleine verborgene Rinnsal ist überfüllt mit Mückenlarven. Es wurde aber eine Gedenkstätte errichtet, die an die ersten Siedler hier erinnert. Es gibt Bilder und Namen und die neuseeländische Flagge flattert über unseren Köpfen. Wir entscheiden uns, weiter bis zur Johnsons Campsite zu gehen, wo es auch ein Shelter mit Wasser geben soll. Es ist ein langer Tag und wir sind von dem schwül-heißen Wetter ziemlich kaputt. Die Campsite ist groß, aber irgendwie komisch angelegt, denn das relativ große Shelter bietet zwar Wasser und Kochgelegenheiten, aber darin sitzen und essen kann man leider nicht. Bei schlechtem Wetter ist das natürlich doof, aber immerhin haben wir Glück und können draußen am Picknicktisch sitzen und unsere Gerichte genießen. Um die Campsite herum gibt es einen kleinen Garten und auch zwei Zelte, die mit Planen, Wäscheleinen und Grillplätzen ausgestattet sind. Auch liegen alte Matratzen und Handtücher hier herum, dass wir uns fragen, ob hier vielleicht Obdachlose leben oder andere Leute einen Zweitwohnsitz haben. Es ist etwas unheimlich, aber wir bleiben allein und schlafen sogar relativ gut auf dem hohen Gras.
Weil wir ja am Vortag so einen langen Tag gemacht haben, lassen wir uns an diesem Morgen Zeit, lesen auch noch etwas und gehen dann langsam zur nächsten Campsite, die nur ca. 8km entfernt ist. Wir überqueren diverse Hängebrücken und laufen an Abbruchkanten entlang, die beeindruckend aussehen und nicht ungefährlich sind. Die Moutainbiker müssen hier schieben und wir hoffen, dass von den Steilwänden nichts runter kommt, während wir da entlang gehen. Unsere Campsite ist schnell erreicht und 2tall kann noch das Zelt reparieren, während ich versuche, das Wasser zu finden. Angeblich soll es am Wasserfall etwas geben und der einfache Weg soll 20 Minuten lang sein. Leider finde ich den Weg nicht, da die Wildschweine mächtig gewühlt haben und der Rest überwuchert und nicht ausgeschildert ist. Ich kehre also genervt um und gehe einfach den Trail zurück, wo 2tall an einer Brücke eine Möglichkeit gesehen hatte, ans Wasser zu kommen. Nach 1,5 km erreiche ich den kleinen Fluss und bin froh, mit vollem Rucksack wieder an der Campsite anzukommen. Wir haben noch den Nachmittag und können lesen und uns ausruhen, auch wenn es zeitweise extrem windig und böig ist. Zum Glück beginnt es erst am Abend zu regnen, als wir mit Kochen und Essen fertig sind, denn hier gäbe es kein Shelter und bei dem Wind hätten wir auch unmöglich unter dem Vorzelt kochen können. Leider kühlt es trotz des Regens nicht ab und wir wachen verschwitzt, mit viel Kondensflüssigkeit im Zelt am nächsten Morgen auf. Alles ist klebrig, feucht, nass... nicht schön. Ein kleines trockenes Zeitfenster ermöglicht es uns, draußen zu frühstücken und Tee zu kochen. Immerhin. Aber schon kurz nach dem Aufbruch fängt es richtig an zu pladdern und hört auch bis zur "Bridge to Nowhere" nicht mehr auf. Wir sind allein auf der Brücke und genießen es, nach 4 Jahren von der anderen Seite aus über dieses beeindruckende Konstrukt zu laufen, was stolz über der Schlucht und zwischen den Farnen trohnt. Wir laufen weiter Richtung Whanganui River und hoffen, irgendwo unten am Landing einen Unterstand zu finden, denn bis das Jetboot abfährt, ist noch etwas Zeit. Uns kommen ein paar nasse Gestalten entgegen und einer davon ist Thomas, der das Jetboot fährt. Und, glücklicherweise, gibt es sogar ein Shelter, wo wir warten können. Ein paar Kanuten sehen wir am Shelter, die dort essen, aber sich teilweise dagegen entscheiden, zu der Brücke zu gehen. Wir empfehlen ihnen dringend, das zu machen, aber sie packen ihr Essen wieder ein und paddeln von dannen, komisch.
Wir steigen mit einer Gruppe Studenten aus Oregon ins Jetboot und düsen los. Es ist laut, stinkt nach Diesel und der Fahrtwind ist ganz schön kalt. Aber der Whanganui River beeindruckt uns mal wieder sehr, es ist immer noch so schön wie vor vier Jahren. Das Flusstal ist einzigartig und wir werden etwas wehmütig. Vielleicht hätten wir doch einfach nochmal die Kanutour machen sollen? Bei der ersten heftigen Stromschnelle bin ich sehr froh, im Jetboot zu sitzen und auch die letzten zwei Tage waren von der Landschaft einzigartig. So haben wir nochmal einen ganz anderen Eindruck bekommen, was "hinter" der Brücke lag und wo die Siedler ihr neues Leben damals begannen.
Leider muss ich aber auch nochmal anmerken, dass sich das DOC (Department of Conservation) hier keine Lorbeeren verdient hat, denn sowohl die Kilometerangaben auf dem Track waren fast alle falsch und von der Wassersituation möchte ich gar nicht erst anfangen. Die Shelter sind kaum wandertauglich und die Campsites eher Buckelpisten und nicht gemäht. Wir haben leider mal wieder den Eindruck, dass, wie schon auf dem Timber Trail, für die Mountainbiker hier eine Menge gemacht wird, die Wanderer aber eher eine untergeordnete Rolle spielen. Vielleicht liegt es an einem großen Rad Event, was hier im nächsten Monat stattfinden soll, denn dann werden ca. 600 Mountainbiker durch dieses Gelände rasen.
In Pipiriki leisten wir uns bei der Jetbootfirma wegen des fiesen Wetters eine Cabin und versuchen uns, ein wenig trocken zu legen, was bei dem permanenten Regen und der hohen Luftfeuchtigkeit schwierig ist. Immerhin gibt es eine warme Dusche und eine Gemeinschaftsküche, wo wir abends unsere Gerichte machen können. Auch unsere Räder sind schon aus Taumarunui geliefert worden und morgen werden wir dann nach langer Zeit mal wieder radeln, mal sehen, wie wir in Whanganui am Meer dann ankommen. Hoffentlich werden wir etwas besseres Wetter haben. San Remo und Lost Kiwi müssten heute mit dem Kanu aus Whakahoro gestartet sein, auch für sie wäre es schön, wenn sie nach dem Regentag heute auch nochmal Sonne auf dem wunderschönen Fluss haben werden. Am Abend haben wir noch eine sehr unterhaltsame Zeit in der Gemeinschaftsküche mit einem Ehepaar aus Christchurch, zwei Waliserinnen, die am Mount Cook ein Jahr gearbeitet haben und einem Ehepaar aus Holland. Wir erzählen vom Wandern, aber auch die Maorikultur und die Deutsche Regierung sind spannende Themen. Das sind die positiven Seiten des Backpackerdaseins, die wir sehr genießen.
Am Morgen unseres Radfahrtages regnet es immer noch und wir bewaffnen uns mit Regenklamotten, Helm und Warnweste. Die Räder sind leider schlecht gewartet und auch zu klein. Bei mir geht es so gerade, aber 2tall leidet auf den 76km schon erheblich. Das ist echt schade, denn der Weg am Fluss ist wirklich toll und trotz Regen bekommen wir einen weiteren wunderschönen Eindruck von dem Whanganui River. Wir kraxeln ordentlich hoch und haben auch wilde Abfahrten, bevor es an 2talls Fahrrad kräftig knackt und eine Speiche gerissen ist. Zum Glück gibt es in meiner Satteltasche gutes Werkzeug, dass 2tall die anderen Speichen so anziehen kann, dass das Hinterrad zwar eiert, aber noch fahrtauglich ist. Oh mann, die letzten Tage haben wir mit einigen Dingen nicht uneingeschränkt Glück gehabt, aber bisher hat sich immer noch alles irgendwie regeln lassen, it all works out somehow oder wie der Kölner sagt: "Et hätt noch immer jut jejange..." oder so ähnlich.
Wir bringen die völlig verdreckten Räder (auch auf der Straße gab es immer wieder Matschlöcher) zu einem Shop in der Fußgängerzone in Whanganui. Danach gönnen wir uns erstmal Kaffee und Kuchen und müssen den Tag nochmal Revue passieren lassen. Schon wieder viel passiert, nur in den letzten Stunden. Leider sind unsere Rucksäcke noch nicht im Hostel angekommen, aber wir können in unser Zimmer und uns schon mal etwas an das Hostelleben akklimatisieren. Unser Zimmer liegt zwischen den Toiletten und dem Garten. Die Geräuschkulisse ist interessant vielfältig und leider wird alles von Musik und lässigen Reisenden untermalt, die sich darüber aufregen, dass man sich auf manchen Campingplätzen nicht mal duschen könnte. Das Hostel wird von einem deutschen Ehepaar geführt, die versuchen, die lockere Art der Kiwis zu leben, aber es wirkt doch etwas verkrampft und eher gespielt locker. Sie sind super nett und hilfsbereit, aber es fühlt sich nicht ganz authentisch an. Nun ja, wir werden nach einem Ruhetag hier unser Postpaket weiter nach Wellington schicken und dann den Bus nach Palmerston North nehmen. Der Trail besteht mal wieder nur aus Asphalttreterei, die wir auslassen. Die Wetterfront bringt auch schon wieder viel Regen und wir werden gucken müssen, wann das Weiterwandern wieder Sinn macht.
(Good Grip, 20.1.2018)