Unseren ersten neuseeländischen Tropensturm haben wir in Te Kuiti überstanden, wie gut ist es, wenn man bei so einem Wetter vier Wände und ein Dach um sich herum hat. Auch wenn die Auszeit ihren Preis hatte, waren wir wirklich froh, hier zu sein. Te Kuiti ist zwar als Townstop gut geeignet, weil es einen großen Supermarkt gibt und alles relativ dicht beisammen ist, allerdings wirkten viele Leute unzufrieden und nicht sehr glücklich. Auch wir drei Wanderer wurden eher mit skeptischen als mit offenen Gesichtern bedacht. Woran es liegt, können wir nicht sagen, aber selbst die Mitarbeiter im Supermarkt wirken genervt und irgendwie frustriert. Aber die Besitzer des Motels kommen uns noch sehr entgegen, schenken uns zwei Wäscheladungen und die Telefonanrufe und so gibt es in Te Kuiti doch noch einen versöhnlichen Ausklang.
Leider regnet es am Morgen, als wir wieder starten, immer noch und wir tingeln mal wieder in voller Schlumpfmontur los. "Der blaue und der rote Schlumpf auf großer Tour". Am Ortsrand treffen wir Twig und Steffen. Twig versucht, einen Lift zum Timber Trail zu bekommen, weil sie die Flußwanderung, die uns an diesem Tag bevor steht, mittels Slackpacking vor dem Sturm gemacht hat. Slackpacking ist das Wandern ohne den großen Rucksack, gemütlich mit einem kleinen Daypack, weil man am Abend wieder zu seinen Klamotten zurückkehrt oder diese transportiert werden. Leider sind ihre Schilderungen über diesen Trailabschnitt nicht gut und Steffen sitzt wahrscheinlich nicht nur wegen des Regens so unmotiviert unter dem Dach und macht keine Anstalten loszuwandern. Wir tapern aber trotzdem nach kurzem Erzählen los und dürfen erstmal durch nasse Wiesen und Sträucher pirschen, um wirklich von oben bis unten den nassen Genuss des Trails zu erfahren. Schade, dass der Weg hier so gar nicht gepflegt wird, d.h. die Wege sind teilweise so zugewuchert, dass man weder den Boden noch den weiteren Weg erkennen kann. Im Laufe des Tages wirds leider noch viel heftiger, doch dazu später mehr. Zum Glück hört es irgendwann auf zu regnen und auch die Landschaft verändert sich. Es gibt Felswände, ein schönes Flussufer, einen Picknickplatz mit Tischen, Stühlen und sogar einem Gummireifen, falls man sich im Fluss ein wenig treiben lassen möchte. Die Sonne ist so warm, dass wir alles wieder trocknen und uns etwas erholen können. Leider fängt das Elend dann erst richtig an und wir werden im Laufe des weiteren Weges echt stinkig. Denn wir müssen über umgestürzte Bäume am Hang klettern, uns von Brombeersträuchern zerkratzen lassen, mal wieder durch knietiefen Matsch robben und uns Wege suchen, die steil am Ufer des Flusses entlang gehen. Die Wege sind schlecht markiert und teilweise auch gefährlich, weil das Flussufer sehr steil ist und wir eigentlich nie die Füße gerade aufsetzen können. Das verdient eigentlich überhaupt nicht den Namen Trail und wir wundern uns, dass auf diesem Teil nicht schon viel mehr passiert ist. 2tall rutscht ein paar Mal gefährlich am Hang aus und auch ich trete in ein Loch und verliere den Halt. Später erfahren wir von Steffen, dass auch er gestürzt ist. Glücklicherweise kommen wir alle ohne große Verletzungen davon, aber wir sind sauer und enttäuscht über diese Wegführung. Ich finde es unzumutbar. Als wir nach vielen Stunden "Wanderarbeit" auf der Wiese ankommen, wo privat ein kleiner Zeltplatz entstanden ist, sind wir so positiv überrascht, dass wir uns schon fast wieder mit dem Trail versöhnt haben. Es gibt einen Schuppen mit Picknicktisch, Wasser, eine Wäschleine, ein Plumpsklo und ein kühles Bier, was quasi wie für uns bereit gestellt wurde.
Weltklasse. Man gibt 5$ freiwillig in eine Box und freut sich, besonders nach so einem Tag, dass es Menschen gibt, die gut zu den Wanderern sind. Steffen und 2tall genießen das Bier und nach einem schnellen Abendbrot sind wir um 21 Uhr im Zelt. Wie gut, dass es so lange hell ist. Am nächsten Tag spüren wir noch deutlich, was wir gestern leisten mussten und wir sind entsprechend müde und sprachlos auf der Schotterstraße unterwegs. Zwei Farmer sehen wir, die ihre Kühe und Schafe auf andere Weiden treiben, ansonsten ist an so einem Sonntag Morgen im Nirgendwo nicht viel los. Bis zum Highway sind es einige Kilometer und wir hoffen, dass wir von dort wenigstens nach Benneydale kommen, um dort einen weiteren Lift zum Start des Timbertrails zu bekommen. Nach ca. 15 Minuten Warterei hält schon ein Pickup mit einem Typ, der aussieht, als wäre er gerade aus dem Rugby Stadion entsprungen. 2tall macht vorne auf dem Beifahrersitz Konversation, der Typ ist staubtrocken, aber super hilfsbereit, denn er fährt uns direkt zum Trail, obwohl er eigentlich in Benneydale wohnt.
Am Start des Trails treffen wir auf einen Dänen, der auch einen Lift bekommen hat, aber erstmal zum Campingplatz will. Er sieht etwas gestresst aus und wenn wir es richtig verstanden haben, hat die letzten Tage bei dem Sturm irgendwo draußen in seinem Zelt verbracht...
Der Timbertrail ist eine alte Route der Holzwirtschaft. Er beginnt wunderbar, er ist grün, schattig und wirkt wie ein perfekter Weg durch einen botanischen Garten. Der Trail ist eigentlich für Radfahrer angelegt, es gibt Touranbieter, die Räder verleihen und Shuttles anbieten, damit die Radler möglichst wenig bergauf fahren müssen. Es gibt Kilometeranzeigen, Schilder, Infotafeln und wir bekommen einen Eindruck, was hier für die Fahrradfahrer auf die Beine gestellt wurde. Wir Wanderer sind geduldet, aber nach dem gestrigen Tag am Fluss kommt da schon etwas Neid auf, dass hier für eine Menge Geld dieser Weg in die Landschaft gefräst und ausgebaut wurde und diverse Hängebrücken entstanden sind, wobei eine Brücke bis zu 500000$ kostet. Wir steigen sanft bis auf 980 m hoch und lassen es aber mit dem Aufstieg zum Pureora Summit, weil die Sicht vermutlich gleich Null ist. 1,8 km vom Trail entfernt gibt es die Bog Inn Hut, die wir für die Nacht ansteuern. Eine alte Hütte von 1960 mit Holzplanken und einem Ofen, aber auch inzwischen mit Wasser und Toilette. Steffen und die zwei Franzosen sind schon dort. Später kommt noch ein Amerikaner, der ungefähr die doppelte Strecke von dem rennt, was wir so gehen. Verrückte Amis. Wir zelten hinter der Hütte, haben ein feines, ruhiges Plätzchen, fast ohne Kondensation und schlafen ganz gut hier oben. Für den nächsten Tag wollen wir bis zur Campsite Piro Piro gehen (21km) und nicht die über 40 km bis zur Campsite#10. Leider wird der Trail irgendwann breiter und auch die Schotterstraßen nehmen zu. In der prallen Sonne wirds zum Ende dann leider anstrengend und auch gar nicht mehr so schön. Wir schleppen uns zur Campsite, wo Steffen schon den einen oder anderen Camper kennengelernt hat. Es ist ein riesiger Platz mit kleinen Sheltern, Picknicktischen und Toiletten. Die meisten Shelter sind allerdings von Campern belegt, die ihre Autos direkt davor parken und teilsweise auch Planen aufgespannt haben. Immerhin haben wir einen Picknicktisch, wo wir uns etwas ausbreiten und kochen können. Etwas später kommt noch Vivian aus Dänemark auf den Platz, die nun Northbound unterwegs ist. Steffen kennt sie aus Ahipara, wir haben sie am Dome das erste Mal getroffen. Wir erzählen viel und freuen uns über die Trailgemeinschaft, die hier schnell entsteht, weil nicht so viele Wanderer unterwegs sind.
Die Campsite #10 liegt ungefähr 20-25 km vor uns. Leider geben die Trailnotes, die Schilder oder auch die App unterschiedliche Längenangaben an, so dass wir nicht so genau wissen, wie weit es wirklich ist. Schade, denn als Wanderer ist man nicht ganz so flexibel wie die Radler und macht eben nicht mal locker 5 km mehr. Das kann mit schweren Beinen, Blasen oder schmerzhaften Füßen ziemlich lästig werden. Immerhin ist der Weg wieder schöner, es gibt schattige, kühle Abschnitte, einige Hängebrücken (bis zu 140m lang) und auch kleine Shelter, die wir für Pausen gut nutzen können. Am Wegesrand liegen immer mal wieder rostige Bahnschienen, Räder oder anderes Zeug, die zur ehemaligen Bahnlinie gehören, die hier in den 30er Jahren die gefällten Bäume heraustransportiert hat. Leider sehen wir auch Müll, der vermutlich von irgendwelchen Hikern stammt, die ihr Zeug nicht rausschleppen wollten. Das wäre schade, wenn die Hiker dadurch auffallen, dass sie ihren Krempel nicht wieder mitnehmen oder die Shelter mit ihrem Namen und Datum beschmieren. “Shelley“ hat das im Dezember an den Hütten mit ihrem Edding gemacht und es ist bitter, wenn andere diesem schlechten Beispiel folgen würden.
Die Campsite#10 ist klein, hat ein Shelter und eine Toilette, allerdings keinen Wassertank. Steffen hat aber schon den Stream gescoutet, so dass wir davon billig profitieren können, auch wenn der Zugang zum Flüsschen gar nicht so einfach ist. Wir bleiben an diesem Abend zu dritt und Steffen erhält endlich einen Trailnamen: "San Remo". Denn sein Abendessen besteht fast immer aus San Remo Nudeln, die er inzwischen jedem empfiehlt, manchmal verschenkt er sogar eine Tüte, um die Leute einfach mit dem sagenhaften Geschmack zu überzeugen ;-)
Auf den letzten 17 Kilometern auf dem Timbertrail sehen wir noch die Spirale, die der Zug damals gefahren ist, einen sehr dunklen Tunnel und diverse alte Brückenreste von damals. Der Weg ist eben und geht bergab, so dass wir richtig flott unterwegs sind. Leider gehts wegen Holzarbeiten am Ende nochmal auf eine Umleitung mit Schotterstraße, die uns dann doch etwas müde macht. An den Containern, wo die Fahrradverleih-Firma ihren Sitz hat und es auch eine kleine Campsite gibt, stehen einige Autos. Doch leider fährt keiner in Richtung Taumarunui, bei dem wir mitfahren könnten. Wir müssen also wohl doch noch auf der Straße bis zum Highway laufen. Aber der goldene Daumen hat mal wieder seinen großen Einsatz und nach 3 Minuten hält ein Auto, was uns direkt an Steffen vorbei und uns alle drei vor den Pizzaladen von Taumarunui fährt. Cool!
Was die nächsten Tage bringen, müssen wir noch austüfteln. Zwischen kilometerlanger Straßenlatscherei, dem Tongariro Crossing und der Bridge to Nowhere am Whanganui River liegen noch ein paar organisatorische Herausforderungen. Dazu kommt das Wetter, was uns zusätzlich eventuell noch den Weg erschwert. Wir werden berichten, wie es hier auf dem Te Araroa mit uns weitergeht.
(Good Grip, 11.1.2018)