An einem Sonntag Morgen ist es in Kerikeri sehr ruhig. Ein paar Menschen sitzen im Café und lesen ihre Zeitung. Wir wandern von unserer kleinen Cabin in Richtung Tramping Track, der uns am Stone Store vorbeiführt, dem ältesten Steinhaus Neuseelands, was zwischen 1832 und 1836 erbaut wurde. Weiter geht es durch sehr betuchte Wohngegenden. Hier leben die rüstigen Rentner, die uns mit Sportschuhen und kurzen Sachen schnellen Schrittes entgegen kommen. Leider müssen wir noch ein größeres Stück auf der Straße ohne Bürgersteig laufen und das ist gar nicht so ungefährlich, denn die Autos rasen ziemlich dicht an uns vorbei. Dann aber geht es in den Wald, zwar auch auf Schotterpiste, aber die teilen wir uns nur noch mit Mountainbikern und Joggern. Die Luftfeuchtigkeit ist hoch und wir sind froh, etwas Schatten im Wald zu haben. Die Strecke ist lang und zieht sich, aber wir kommen trotz einiger Auf- und Abstiege flott voran, auch wenn es sich zwischendurch gar nicht so anfühlt. Als wir aus dem Wald treten, können wir schon einen Blick auf die Küste werfen. Und da steht auch passend ein großes Kreuzfahrtschiff in der Bucht. Dann werden wieder viele Touris durch Paihia schlendern, fahren und konsumieren (das konnten wir auf unserem Hinweg mit dem Bus schon erahnen). Bis Paihia sind es aber noch ein paar Kilometer, die uns quasi über einen Golfplatz führen. Das Kreuzfahrtschiff, der Golfplatz, ältere, übergewichtige Herren... ich glaube, vielen Leuten geht es hier ziemlich gut.
Kurz vor Paihia stoppen wir für einen Smoothie und die Frau ist ganz beeindruckt, dass wir den ganzen Weg vom Cape Reinga zu Fuß gemacht haben, wir sind es übrigens auch. Wir genießen den Smoothie mit Meerblick, müssen aber bald weiter, denn das Wetter ist doch wieder etwas kühler und die Meeresbrise zu stark für uns verschwitzte Hiker. Noch ein Stück am Wasser entlang, dann sind wir im Ort und können zu unserer Unterkunft abbiegen. Das Motel liegt zum Glück nicht direkt an der Hauptstraße und wir haben eine Palme direkt vor dem Zimmer. Südseefeeling.
Unmittelbar nach einem Ruhetag wieder eine feste Unterkunft zu haben, ist für uns totaler Luxus. Machen wir aber trotzdem, fühlt sich nämlich auch gut an, und wir sind ja im Urlaub. Leider müssen wir noch für die nächsten Tage einkaufen und die Fahrt über das Inlet nach Opua und weiter nach Waikare organisieren. Schade, dass die Frau an der Touristen-Info so gar nichts vom TA weiß, aber immerhin kann sie uns ein paar Taxi Nummern geben. (Schlußendlich wird die Firma, die das Wassertaxi betreibt, uns mit einem 4WD befördern. Die gesamte Strecke mit dem Wassertaxi zurückzulegen ist wegen der Gezeiten leider nicht möglich.)
Nach einer kleinen Stärkung im völlig überfüllten Ort gehts in den Einkaufsdschungel. Auch der Laden ist voll mit Touris und wir bekommen fast etwas Platzangst. Leider ist der Countdown hier nicht so gut sortiert und wir bezahlen eine große Summe für Zeug, was nicht ganz so unseren Wanderbedürfnissen entspricht. Aber es war trotzdem gut, den langen Roadwalk heute mit nur wenig Gewicht zu machen. Im Motel gehts nochmal weiter mit der Organisation für die nächsten Tage, aber 2Tall regelt alles pefekt, so dass die Überfahrten und Abholungen nun alle "eingetütet" sind. Leider sind die Trail-Infos unübersichtlich und nicht so aussagekräftig, dass wir uns allein darauf verlassen können. Wir müssen immer nochmal in Blogs der letzten Jahre suchen, nachlesen und uns Teile zusammen stückeln, bis sich für uns ein gutes "Wanderbild" ergibt. Der Appalachian Trail ist da natürlich ganz anders, er ist aber ja auch viel älter und hat somit über die Jahre eine große Trailcommunity entwickeln können.
Das Frühstück im Motel gestalten wir selber mit Bagels und Nutella, immerhin gibt es Kaffee und frische Milch. Gegen 9 Uhr starten wir mit schwerem Gepäck (warum wiegt das Essen eigentlich so viel?) und biegen bald auf den Strand ab, um nach Opua zu kommen. Wegen der Ebbe läuft es sich gut am Beach, nach einer Brücke gehts dann allerdings wieder den Hang entlang. Der Weg ist wunderschön und führt an Villen vorbei, die uns beeindrucken. An der Fähre sitzt schon Steffen, der vor uns gestartet ist und dort auf uns wartet, denn er fährt mit uns mit dem Shuttle zum Trailhead. Aber bevor es mit der Fähre rüber geht, gönnen wir uns noch ein kühles Getränk. Die Fähre kostet für Fußgänger einen Dollar und dauert knapp 10 Minuten. Auf unser Shuttle müssen wir nicht lange warten und in nur 30 Minuten sind wir am Fluss, wo sonst das Wassertaxi oder die Kayaks ankommen. Wie gut, dass wir dieses ganze Stück nicht laufen mussten, viel Straße, viel Schotter... Aber der Trail startet leider auch erstmal mit Schotterweg. Wir kommen an Pferdeweiden vorbei, aber auch an einem Bullen, der am Straßenrand vor dem Zaun ruht. Der guckt etwas verwirrt, macht aber keine Anstalten auf mein rotes T-Shirt zu reagieren. Nach einigen Kilometern biegen wir auf eine Straße ab, wo diverse Autowracks vor sich hinrosten. Das ist nicht unbedingt ein schöner Anblick, auch nicht für uns Wanderer. Schade, denn die Gegend ist sonst sehr idyllisch. Dann ist bald wieder Flusswandern angesagt und wir wechseln unsere Schuhe und waten durch das kühle Wasser. Das Wasser steht nicht hoch und wir kommen überall gut durch. Das mögen wir uns bei schlechten Wetter gar nicht vorstellen. Wir kommen am Nachmittag an einem kleinen Shelter an und überraschen eine Wildschweinfamilie, die auf dem Weg schon ausgezeichnete Wühlarbeit geleistet hat. Die schwarzen Schweinchen hören uns erst sehr spät und wir können die große Familie einen Moment beobachten. Das Shelter bietet Tisch und Bank, so dass wir entspannt sitzen, kochen und essen können. Gegen 19 Uhr kommt noch Damian vorbei, den Steffen schon vom Campground in Kerikeri kennt. Er hat den Track von Cape Reinga in nur 8 Tagen gemacht, was uns ziemlich beeindruckt. Aber vielleicht hat er auch Teile übersprungen, wer weiß das schon.
Der Morgen startet sehr sonnig und wir müssen schmieren und unbedingt mit Kopfbedeckung laufen, sonst fühlt es sich Abends nur böse an. Die Sonne ist so stark und selbst die Einheimischen bezeichnen die neuseeländische Sonne als die Schlimmste auf der Welt.
Wir haben einen wunderschönen Weg bis zur Straße, allerdings wird klar, dass hier keine Hundliebhaber wohnen. Wir sehen diverse Schilder mit der Aufschrift: "All dogs shot". Oder wollen die Bewohner die Kiwis schützen, die hier leben? Streunende Hunde sind wohl die größten Kiwi-Killer, weil diese nachtaktiven Vögel nur am Boden leben. Nach einer kurzen Pause in der Sonne beginnt die Straßenlatscherei, auf die wir uns alle nicht unbedingt gefreut haben. Steffen ist irgendwann total genervt und bleibt an einer Stelle stehen, um per Anhalter das Stück bis Helena Bay zu überbrücken. Wir gehen noch etwas weiter, aber nach ca. 9km halte ich auch den Daumen raus, weil es einfach doof ist auf dem harten, heißen Asphalt. Wir müssen etwas warten, aber die letzten 4 km nach Helena Bay nimmt uns ein Typ mit, der ein komplett zugemülltes Auto hat. Kennen wir ja schon aus den USA, ist trotzdem immer wieder beeindruckend, was in so ein Auto alles passt. In Helena Bay freuen wir uns auf die Pause bei den Picknicktischen, die einen tollen Blick aufs Meer bieten. Wir werden aber erstmal von einem älteren Herrn eingeladen, seinen Wassertank zum Auffüllen unserer Flaschen zu benutzen. Als wir so unsere Tortillas vertilgen, kommt er nochmal mit seinem müden Hund vorbei und nennt uns eine Stelle an seinem Haus, wo wir uns unterstellen könnten, denn es würde gleich einen Schauer geben. Der Schauer entpuppt sich als totaler Wolkenbruch und wir sind froh, etwas Schutz vor dem Regen zu haben. Es dauert lange, bis sich der Regen wieder beruhigt hat und wir wieder starten können. Leider bekommen wir dann auf dem Helena Ridge Track doch noch einiges an Regen ab und wir verpassen den Moment, die Regenhosen anzuziehen. Wenn es in den Schuhen vor Wasser quietscht, fühlt es sich nicht mehr so gut an. Dazu kommen steile und rutschige Walspassagen, die uns ordentlich Kraft kosten. Mann, war der Appalachian Trail auch so anstrengend? Eindeutig nein, aber vielleicht haben wir das auch schon wieder verdrängt.
Wir sind jedenfalls ziemlich am Limit, als wir Steffen kurz vor dem möglichen Zeltplatz wiedertreffen. Er hat dann auch noch einen Mitfahrgelegenheit bekommen und war immer so 1-2 Kilometer vor uns. Steffen hat im Wald einen Wanderschuh eingesammelt, der ziemlich sicher Damian gehört. Er entwickelt sich zum absoluten Trailangel, denn als wir an unserem Zeltplätzchen ankommen und ich das lehmige Wasser vom Fluß geholt habe, ist er, dank seines Filters, in der Lage, braunes Wasser in "Wein" zu verwandeln. Wie toll, dass er auch für uns dieses Dreckswasser gefiltert hat. Wir stoppen aber auch noch zusätzlich eine Dame, die mit ihrem Auto vorbeifährt. Sie schenkt uns noch ein paar Wasserflaschen, so dass wir auch für den Start am nächsten Morgen über die Runden kommen. Der Zeltplatz ist wenigstens eben und als wir in unseren Zelten liegen, hören wir das erste Mal einen Kiwi rufen. So endet ein nasser und ereignisreicher Tag mit dem Nationaltier Neuseelands, welch ein Glück.
Der Start am nächsten Morgen ist allerdings holperig, denn gestern war es so anstrengend, dass Kopf und Muskeln nur schwer in Gang kommen. Aber der Morepork Track ist wunderschön und wir freuen uns über den gut ausgebauten Weg. Natürlich bleibt er nicht lange so. Es folgen steile, rutschige Passagen, die aber am Ende auch wieder grandiose Küstenblicke bieten. Am Nachmittag kommen wir in Whananaki am Holiday Park an und setzen uns erstmal auf die Porch des Beach Stores, um den Abschnitt mit Fish, Chips und kühlen Getränken zu feiern. Wir sind angekommen und nun muss nur noch der passende Fuß zum eingesammelten Schuh gefunden werden. Und tatsächlich liegt Damian schlafend im Holiday Park, freut sich aber später über seinen Schuh, auf den er hier gewartet hat und gibt Steffen einen aus. Ende gut, Kiwi gehört.
Die Nacht verbringen wir in einer Cabin im Holiday Park, erst haben wir etwas Skrupel, weil die Kosten deutlich höher sind, als nur das Zelt aufzuschlagen, aber ein eigenes Bad und einen Raum, wo man sich ausbreiten und erholen kann, das ist so viel wert. Wir gönnen uns das. Wir bekommen sogar noch Shampoo und Waschpulver von der Caretakerin geschenkt, so dass wir uns und unsere stinkigen Klamotten reinigen können. In dem Beachstore kaufen wir uns noch etwas Brot und Käse, dann gehts ins Bett, müde, kaputt, aber glücklich, an diesem paradiesischen Ort zu sein. Für den folgenden Tag sind es 24 km bis Ngunguru, wo wir einen Ruhetag einlegen wollen. Darauf freuen wir uns schon sehr und hoffen, dass wir dann Muskeln, Gelenke und Köpfe etwas entspannen können. Direkt hinter dem Holiday Park überqueren wir die längste Fußgängerbrücke der südlichen Hemisphäre (395 m) und beginnen einen super schönen Küstenwanderweg mit fantastischen Blicken. Wir werden von "Twig" eingeholt, die super leicht unterwegs ist und einen Rucksack mit deutlich unter 10 kg trägt. Ihre Ausstattung ist aber auch vom Feinsten, was allerdings in der Anschaffung auch einiges kostet. Sie hat viel zu erzählen und als Steffen auch noch zu uns aufschließt, wird es ein unterhaltsames Quartett, was da so auf dem Te Araroa herumwandert. Um die Mittagszeit erreichen wir Matapouri, wo wir köstlich speisen können. Köstlich ist es für Wanderer, die Burger, kühle Getränke und Eis mögen. Es kommen auch einige Einheimische hierher und der Laden ist hochfrequentiert. Nach dieser Einkehr müssen wir leider durch ein Gebiet, wo viel abgeholzt wird und ein großes Schild warnt uns, dass wir von den Waldarbeitern unbedingt das OK bekommen müssen, um dort hindurch zu gehen. Die Männer arbeiten natürlich mit Ohrenschutz und wir versuchen es mit Stockschwüngen, weil sie auf mein Gepfeife nicht reagieren. Sie winken uns sehr freundlich zurück, wissen aber vielleicht gar nichts von dem Schild. Irgendwann gehen wir einfach los und hoffen, dass sie reagieren, falls es doch irgendwie gefährlich werden würde. Es geht alles gut und sehen am Ende des Gebietes, dass die Northbounder hier gar nicht durchgehen dürfen. Da hatten wir ja Glück. Es geht in der Waldpassage dann nochmal etwas auf und ab, aber die "Dschungelatmosphäre" ist mal wieder einzigartig. Der Wald ist so dunkel und kühl, und trotzdem ist das Grün der Farne und der dunkelblaue Sommerhimmel zu erkennnen. Nach weiteren 2 Kilometern kommen wir dann an einem riesigen Kauribaum vorbei, der einen massiven Stamm hat und ein Menschlein daneben mal wieder so klein und unbedeutend aussieht. Diese Bäume sind mehrere tausend Jahre alt und beeindrucken uns alle sehr, denn wir bleiben schon eine Weile dort stehen und betrachten immer mal wieder dieses Naturwunderwerk.
Twig und Steffen haben es noch etwas weiter als wir, denn wir brauchen nur bis zum Ortseingang von Ngunguru zu unserem Motel zu gehen. Sie ziehen deswegen schon mal weiter, wir gönnen uns noch ein Päuschen bevor der finale Roadwalk beginnt. Es zieht sich bis zum Motel und wir sind am Ende der 24 km echt ko. Glücklicherweise ist unser großes Zimmer mit einer Küche voll ausgestattet und auch der kleine Supermarkt ist nicht weit. Mit Nudeln, frischem Gemüse und Olivenöl gibt es ein Pasta-Abendbrot, was unsere Energiereserven hoffentlich wieder auffüllt. Bon Appetit!
(Good Grip, 15.12.2017)