Die Nacht in der Cabin im Mohican Outdoor Center war erholsam, weil wir dort gut essen konnten, es gab sogar Duschen und auch noch WiFi. Leider waren die Waschräume ein Alptraum und meine Dusche wurde nicht mal warm, aber manche Leute haben sich dort wirklich bemüht, uns zu helfen. Da konnten wir dann über den Schimmel in der Kaffeemaschine und den Dreck im Waschraum hinweg sehen. Immerhin konnten wir für ein kleines Vermögen am nächsten Morgen Pfannkuchen essen, die uns schon mehr Energie gaben als unsere Haferflöckchen, die wir ja sonst morgens essen. 2Tall musste noch viel im Internet recherchieren, ob es doch möglich wäre, den Schlafsack wieder etwas "fluffiger" zu machen. Er hatte die letzten Nächte gefroren und hatte den Verdacht, dass der Loft aufgrund von Schweiß zusammen gefallen war. Waschen wäre wohl eine Möglichkeit gewesen, aber in einer Badewanne oder in den etwas unheimlichen amerikanischen Waschmaschinen? Alles sehr schwierig. Wir gingen erstmal vom Outdoorcenter los und konnten bei bestem Wetter Wald, Aussichten und Ponds genießen. An einem Aussichtspunkt entdeckten wir eine Eule, die auf einem Stock saß. Wir konnten es kaum fassen, diesen Vogel so nah beobachten zu können... er flog auch gar nicht weg, als wir immer näher kamen. Die Attrappe war nicht schlecht und hatte sicher nicht nur uns verwirrt.
Am Sunfisch Pond bekamen wir einen ersten Eindruck, was es hieß, auf den Pennsylvannia Rocks zu wandern. Die spitzen Steine und Felsen machten es uns nicht leicht, voran zu kommen. Jeder Schritt musste da gut überlegt sein und wir freuten uns nach dieser Erfahrung nicht unbedingt, weitere Kilometer auf so einem "Geläuf" machen zu müssen. Wir trafen viele Tageswanderer, die wie wir das tolle Wetter nutzten. Das war uns fast schon ein wenig viel mit den Menschen, Hunden und Kindern. Um in die Stadt von Delaware Water Gap zu kommen, mussten wir noch die Brücke über den Fluss queren, leider fuhren ungefähr zwei Meter neben uns die dicken Trucks und diverse Autos, die auf dieser Interstate unterwegs waren. Es war unerträglich mit dem Verkehrslärm und wir wollten diese Brücke schnellstmöglich verlassen, auch wenn hier die offizielle Grenze von New Jersey nach Pennsylvania war. War ja ein weiterer Meilenstein auf dem AT für uns, aber das sollte später gebührend gefeiert werden. Wir kamen im Ort an und sahen erstmal Straßenabsperrungen. Das war Timing, denn wir kamen pünktlich zum Jazzfest in den Ort. Wir bekamen Äpfel geschenkt und wurden fröhlich begrüßt. Wir wollten aber erstmal zum Wanderladen, denn ich sehnte mich nach einer neuen Isomatte, die wir auch fanden, juchee! Leider war die neue Matte etwas schwerer, aber das nahm ich in Kauf. Dann kehrten wir erstmal ein und gönnten uns Nahrung in Form von Burgern und Fritten, es gab sogar einen vegetarischen Avocadoburger. Super. Unsere Unterkunft hatten wir nicht im Hostel der Kirche, sondern im ortsansässigen Hotel, auch wenn die Meinungen darüber unterirdisch waren. Aber wir hofften auf die Waschmaschine und etwas Ruhe ohne andere Hiker. Das klappte auch alles ganz gut, die Umbaumaßnahmen und den Schimmel in den Fugen ignorierten wir, soweit wir es konnten. Nachteil des Ortes war, dass wir mal wieder an der Tanke nebenan einkaufen mussten, was uns schon nervte, denn die Auswahl war begrenzt und auch in den Staaten gibt es an Tankstellen nicht unbedingt Sonderangebote. Aber der Townstop hatte uns trotzdem gut getan, wir fühlten uns am nächsten Morgen relativ ausgeruht, nicht unbedingt gestärkt durch das magere Frühstück des Hotels, aber immerhin ausgeschlafen. Das Wetter war toll und kurz vor dem Abzweig zum Trail trafen wir im Ort nochmal Hoba, der nicht uneingeschränkt begeistert von dem Kirchen-Hostel war, wo er übernachtet hatte. Dann hatten wir wohl doch alles richtig gemacht, auch wenn uns mehrere Menschen vor dem Hotel gewarnt hatten.
Wir stiegen aus dem Gap raus und kamen trotz der Höhenmeter und der vollgepackten Rucksäcke gut voran. Am Shelter mussten wir mal wieder ordentlich Wasser tanken, denn für die nächsten Meilen war die Wassersituation mal wieder mau. Das Wasser gab es diesmal aus einem Hahn von einem Retreat, was hinter dem Shelter lag. Sehr nett, denn im Sommer trocknen die meisten Quellen in PA aus und dann hat man als Wanderer echt ein Problem. Als wir also gerade so am Hahn rumzapften, kam ein Herr vorbei, der das so toll fand, dass wir wandern würden... und er würde das ja auch so gerne machen... und dann wollte er gerne ein Bild mit 2Tall und meinen Wandersöcken haben. Ich tat ihm den Gafallen, aber die Situation war natürlich wieder völlig bizarr. Später trafen wir übrigens noch eine Frau im Bauchtanzkostüm... mitten im Wald. Es gibt so Tage auf dem Trail...
Wir schleppten unsere Wasservorräte bis zu einer Campsite, nachdem wir vorher noch diverse Felsen und felsige Wege überwunden hatten. Mann, das war eine Schinderei. Wir waren dann erstaunlicher Weise doch relativ früh an der Campsite, entschieden uns aber dort im Wald zu bleiben und nicht noch bis zum nächsten Gap zu gehen. So konnten wir in Ruhe das Zelt aufbauen, die Bärenleine werfen und kochen. Ist ja doch immer ein bißchen was zu tun, beim campen. Wir waren diesmal nicht so nervös, ganz allein im Wald zu sein und gingen früh schlafen. Da wir für den nächsten Morgen auch noch genug Wasser hatten, konnten wir zum nächsten Shelter gehen. Die Meilen wurden uns dann aber doch ganz schön lang und als dann am Schild stand: "Happiness is here" waren wir überzeugt, das Richtige getan zu haben. Ich latschte leider dann doch eine ziemliche Strecke bis zur Quelle bergab und war entsprechend erledigt. Am Ende des Tages wurden es dann nämlich bis zu John, dem Mechanical Man, 14 Meilen, die wir beide ziemlich in den Beinen hatten. Aber die Aussichten auf eine Dusche und was Gutes zu Essen halfen über so manchen schmerzenden Knochen hinweg.
Die Übernachtung in der Garage war schon bizarr genug, dazu kam der Typ, der permanent quatschte und immer wieder sagte, wie toll das doch für Hiker wäre in seiner Garage zu pennen und er wüsste ja, was Hiker unbedingt bräuchten... bla, bla, bla. Dass John und seine Frau ihr privates Badezimmer für stinkende Hiker zur Verfügung stellten, war ja schon großzügig, die Fahrt in den Ort und das Abholen und Bringen zum Trail zurück, alles für 10 $, ok, nicht so übel, aber die Quatscherei nervte uns sehr. Mit uns war noch ein Thru-Hiker dort, der auch nicht ganz schussecht war, und wir fühlten uns wie in irgendeine bizarre Welt katapultiert. Konnte das alles wahr sein oder stand irgendwo doch noch eine Kamera, um unsere fassungslosen Gesichter abzufilmen? Erstaunlicherweise schliefen wir ganz gut, John allerdings auch, denn den verabredeten Zeitpunkt am nächsten Morgen für 8 Uhr verschlief er einfach. Wahrscheinlich wurde er erst wach, als 2Tall ihn angerufen hatte. Er entschuldigte sich zwar, Schuld war aber angeblich sein zweiter Dobermann, der gerade im Sterben lag... Oh man, ich war so genervt von dieser Unzuverlässigkeit und Abhängigkeit von solchen Pappnasen. Das war jetzt schon die zweite Erfahrung dieser Art und ich fragte mich, ob das wirklich so ein deutsches Ding war oder ob wir das etwas eng sahen. Ich war sehr froh, als ich aus diesem Auto steigen konnte und den Garagenmann hinter mir lassen konnte.
Der Trail wurde zunehmend felsiger und wir balancierten, rutschten, stolperten, fluchten und sehnten uns nach flachem Terrain. Wir wurden von ein paar Sobos überholt, die an diesem Tag 27 Meilen wandern wollten. Das Tempo war beeindruckend, aber auch sie stöhnten über das schwierige Gelände. Ein Teil des Trails ging an einer ehemaligen Zinkmiene vorbei, aber auch der Versuch der Aufforstung, sah nur kläglich aus. Selbst die Brombeerbüsche sahen übel aus und die sind ja bekanntlich hart im nehmen. Wir hatten vom Ridge die ganze Zeit einen "herrlichen" Blick auf die Industrie von Palmerton. Nicht der schönste Teil des Trails hier. Dann allerdings gabs nochmal einen spektakulären Abstieg. Es hätte auch eine leichtere Umleitung gegeben, aber ich wollte gerne den AT gehen und dann hatten wir richtig was zu tun. Wir hatten auch tolle Aussichten, aber die Felsen waren schon auch beängstigend. Wir hatten einige größere Stufen zu bewältigen und leider gabs diesmal keine Haken oder Leitern, die wir hätten benutzen können. Wir waren danach echt froh, dass wir uns bei diesem Abstieg nichts getan haben, das war nicht ohne. Zum Shelter ging es dann nochmal auf der anderen Seite wieder bergauf, als wir dann an der Wasserquelle ankamen, mussten wir uns erfrischen, trinken, durchatmen, wieder etwas runterkommen. Am Shelter trafen wir Greg, der seine Rente auf dem Trail genoss. Er grinste fast permanent und freute sich darüber, dass er essen konnte, was er wollte und trotzdem noch Gewicht reduzierte. Tja, so hat jeder seine ganz eigene Motivation, den Trail zu gehen. Leider begannn es am nächsten Morgen relativ schnell an zu fisseln und als wir an den fiesen Felsen ankamen, regnete es richtig. Och nöö, nicht wirklich toll. Meine Stimmung sinkt dann doch relativ schnell ab und als wir am Shelter eine Pause machten, kroch eine 2m lange schwarze Schlange ums Shelter herum und versetzte mich in Hochstimmung. Mir war bewusst, dass diese Rat-Snakes nicht giftig sind, aber der Anblick war schon erschreckend. Ich konnte tatsächlich erst wieder richtig durchatmen, als wir das Shelter verließen.
Felsen sind an sich ja schon fies, aber bei Regen übers Knife's Edge zu klettern, hat was von Selbstkasteiung. In diesen Situationen frage ich mich schon manchmal, warum wir hier sind und ob das einen tieferen Sinn haben könnte... hat es, denn fast täglich seine Grenzen auszuloten, macht etwas mit uns und mit den Leuten auf dem Trail. Das Gute an diesem Tag war die Aussicht auf eine heiße Dusche und ein Bett im Bed and Breakfast. 2Tall musste deswegen zwar mehrmals mit dem Besitzer telefonieren, weil er nicht kapiert hatte, dass wir an seinem freien Tag kommen wollten. Letztendlich legte er uns den Schlüssel unter die Fußmatte und wir konnten trotzdem schon mal ins Zimmer. Als wir am frühen Abend dann unsere schmackhaften Ramen Nudeln unter dem Vordach kochten, kam er doch noch nach dem Golfen mit seiner Freundin vorbei, um uns zu erzählen, dass er gleich Hummer Essen gehen würde und was er uns zum Frühstück machen könnte. Ein komischer Typ war das und als er 2Tall dann noch Komplimente machte, wie jung er doch aussah, im Gegensatz zu mir, die ja mindestens 46 sein müsste, war er bei mir natürlich unten durch. Blödmann, auch wenn ich zu meinem Alter stehe, solche Kommentare sind nicht gerade Gentleman-Like. Zwei Tage hintereinander solche Typen waren nur schwer zu ertragen. Wir waren schon auch etwas geschockt, denn für soviel Geld, so wenig zu bieten, ist echt schwach. Vom Frühstück erzähle ich jetzt lieber nix, erwähnenswert wäre noch, dass der Typ uns das Frühstück in Schlafanzughose servierte, aber wir wunderten uns ab diesem Zeitpunkt über gar nichts mehr.
Leider mussten wir morgens wieder im Regen starten und auch 2Talls Füße wurden nicht besser, sondern immmer schmerzhafter. Er hatte den Verdacht, dass die Felsen die Schuhe schon ruiniert hatten und das Gefühl von Barfuß-Schuhen wurde minütlich stärker. Schmerzhafte Füße, Regen und dann auch noch ein Sturz. 2Tall war gebeutelt und die Stimmung verständlicherweise im Keller. Beim Sturz stauchte er sich das Handgelenk und ließ einiges an Haut vom Finger am Felsen. Das hätte noch schlimmer ausgehen können, der Schreck saß uns noch eine Weile in den Knochen. Das Gelände wurde leider auch nicht leichter und so schlichen wir vorsichtig weiter und brauchten lange bis zum Eckville Shelter. Das Shelter hatte sogar einen Caretaker, der sich um das Gelände und die Annehmlichkeiten einer warmen Dusche und der Toilette kümmerte. Er war sogar so nett, dass er 2Tall telefonieren ließ, denn unser Smartphone hatte leider keinen Empfang dort. Wir hatten uns für zwei Tage in einem Retreat eingebucht und waren so froh, dass dort endlich alles passte. Die Leute waren super nett, das Essen lecker und gesund. Umwerfend war aber die Geste, das Auto am Abend zu benutzen zu dürfen, um in einen entfernteren Ort zum Essen zu fahren. War das grandios! Wir waren darüber so glücklich und dankbar.
An unserem Ruhetag galt es dann erstmal neue Schuhe für 2Tall zu organisieren und Proviant zu kaufen. Wir konnten morgens mit Lindy nach Hamburg fahren, wo es Cabelas und Walmart gab. Cabelas ist übrigens ein riesiger Laden mit Angel- und Jägerbedarf, es gibt aber auch einiges an Wanderzeug. Interessanterweise waren wir vor drei Jahren schon mal hier und hatten uns in diesem Laden umgesehen, als wir das Mietauto auf dem Weg nach New York hatten. Wir wunderten uns also nicht mehr über Massen an Schusswaffen und den Landschaften mit den ausgestopften Tieren. Absoluter Wahnsinn dieser Laden, in vielerlei Hinsicht.
Die gute Nachricht, 2Tall hat neue Schuhe. Nun hofft er auf schmerzfreiere Strecken :-) Happy trails!
(Good Grip, 16.9.2017)