Nach einem guten Ruhetag in Greenwood Lake, hatten wir uns erholt, gut gegessen und für den nächsten Tag alles klar gemacht, dass wir vom Hotelbesitzer auch wieder zum Trail zurückgebracht werden. Wir standen also am nächsten Morgen auf und warteten auf das Frühstück, was immer mal neue Überraschungen bot. Am Vortag gabs zwar Milch, aber kein Besteck, dafür hatten wir an diesem Morgen Besteck, aber keine Milch... wir sahen es nicht so eng, die Hotelmitarbeiterin war total bemüht, aber es war klar, dass sie mit den ganzen Aufgaben etwas überfordert war. Insgesamt war das Hotel auch etwas abgeranzt und wir ärgerten uns schon, dass wir soviel Geld für so ein Zimmer bezahlen mussten. Immerhin gabs es Frühstück, wir konnten unsere Sachen waschen und es gab ja auch das Shuttle... dachten wir jedenfalls. Als wir aber an dem Morgen gestiefelt, abfahrbereit vor der Tür des Managers standen, guckte er uns völlig quer an und war noch hackedicht von seinen feucht fröhlichen Samstag Abend. An Autofahren war nicht zu denken und das Auto war wohl auch offensichtlich nicht da. Wir waren völlig perplex, standen etwas ratlos rum und überlegten, was wir tun können. Da kam die Mitarbeiterin des Hotels und fuhr uns einfach mit ihrem Wagen um Trail zurück. Was für ein Glück, mal wieder ein typischer Fall von Trailangel.
Wir waren sehr erleichtert, als wir los konnten, auch wenn es Bindfäden regnete. Erstmal weg aus diesem Ort mit den schrägen Leuten. Im Guidebook wurde vor dem kommenden Abschnitt gewarnt, denn es sollte wegen der Felsen recht anspruchsvoll sein. Wir waren nicht begeistert, dass das Ganze dann auch noch mit rutschigen, nassen Felsen stattfinden sollte. Nun denn, wir gingen langsam und vorsichtig und als wir dachten, dass der schwierige Teil fast beendet wäre, rutschte ich aus und rasierte mir die Haut vom Schienbein ab. Autsch. Mehr war zum Glück nicht passiert und mit Pflaster und Heilsalbe ging es vorsichtig weiter. Wir überquerten die Grenze von New York und betraten New Jersey. Nachmittags klarte das Wetter wieder auf und so trockneten wir etwas am State Park, wo wir auch das Wasser fürs Shelter holten. Da waren schon einige Leute, wir bekamen aber noch einen schönen Zeltplatz und hatten einen lustigen Abend mit den vielen Sectionhikern, die an diesem Abend auch hier Halt machten. In New Jersey gibt es einige Bären und deswegen gibt es die Bear Boxen, wo die Wanderer ihre Essensbeutel und ihr Zahnputzzeug verstauen können. Das ist schon eine tolle Sache, denn eine Bärenleine zu werfen ist nicht immer einfach, dafür muss der richtige Ast gefunden werden und man muss auch noch zielsicher sein. Die Boxen waren toll, leider werden sie von manchen Idioten auch als Müllhalde missbraucht.
Das Wetter war wieder sehr sonnig und wir genossen die Strecke bis zum Stairway to Heaven. Da wurde es richtig steil und wir mussten beim herunter kraxeln sehr vorsichtig die Füße voreinander setzen. Es wurde immer belebter und uns kamen Massen von Tageswanderern entgegen, die alle am Labour Day einen Ausflug machten. Da wurden Kinder die Felsen hochgezerrt und Hunde getragen... und alle rochen frisch und reinlich nach Deo und Waschpulver. Das erleben wir ja immer wieder, wenn wir wandernd unterwegs sind, dass wir stark parfümierte oder eben übermäßig nach Deo riechende Menschen kaum mehr ertragen können. Am Fuße des Berges gabs dann die Überraschung: eine Farm mit Bäckerei und Erfirschungsgetränken auf der einen Seite, auf der anderen Straßenseite ein Hotdog Stand. Wir wählten die Farm und genossen Blaubeermuffins, Kaffee und Schokomilch. Leider waren wir schon wieder voll im "Fress-Modus" angekommen, aber die Lust auf Zucker, Fett und Mehl überkam uns so dermaßen, dass wir dieser auch nachgingen. Wir wunderten uns schon sehr, was wir so verdrücken konnten, aber es schmeckte alles einfach unglaublich gut... Nach dem guten Essen gings dann erstmal eine gefühlte Ewigkeit auf einem Boardwalk entlang, auch wieder mit Unmengen an Leuten, Kindern und Hunden. Leider hatten wir am nächsten Shelter wieder kein Wasser und so mussten wir mal wieder einige Liter mitschleppen. Das war heftig und wir hofften sehr, dass wir an weiteren Sheltern nicht noch solche Plackerei auf uns nehmen mussten. Wir waren dann am Shelter erstmal allein und entschieden uns fürs Zelten, denn die Mücken stürzten sich sofort auf uns nutzen jedes freie Fleckchen Haut, um sich vollzusaugen. Leider knallte es am Abend in meiner Isomatte und es tat sich ein unschöner Hügel auf. Sie delaminierte von innen und ich war natürlich erstmal bedient, denn eine bequeme Schlafposition konnte ich so natürlich nicht finden. Leider war der nächste Ausrüstungsladen auch erst in Delawarewater Gap und so standen mir noch ein paar unbequeme Nächte bevor.
Am nächsten Morgen gings zum Wasserholen an ein verlassenes Haus, was an der Außenwand neben dem Wasserhahn auch eine Steckdose hatte. Sehr wanderer-freundlich. Wir nutzten beides und trafen ein junges Pärchen, die auch noch spät zum letzten Shelter am Vorabend gekommen waren. Wir unterhielten uns ein wenig und sie boten uns sogar an, uns in Delaware Water Gap irgendwo hinzufahren, weil sie ihre Wanderung dort beenden wollten. Super nett. Wir bedankten uns und gingen erstmal weiter nach Unionville, wo wir für die kommenden Tage Proviant kaufen mussten. Leider gabs nur einen recht kleinen Laden, aber wir bekamen unsere Sachen und konnten auch noch ein belegtes Brötchen essen, bevor es voll beladen wieder losging in Richtung High Point Shelter. Obwohl es super schwül war, kamen wir bei dem einigermaßen flachen Terrain super voran. Leider wurde 2Tall dann von einer Wespe gestochen und wir bekamen einen ziemlichen Schreck, denn ich dachte sofort an eine Schlange und bekam etwas Angst. Der Stich wurde zwar dick, nervte zum Glück aber nicht mehr so lange. Am Shelter sahen wir zwei riesige Zelte, die von einer Schulgruppe stammten, die hier in der Wildnis ein paar Tage verbrachten, um sich besser kennenzulernen. In den nächsten Tagen begegneten wir noch diversen Gruppen, wir waren da wohl in ein Nest geraten. Die Jugendlichen benahmen sich aber gut und auch die Betreuer waren immer sehr freundlich zu den Wanderern. Am Shelter begegneten wir außerdem einem Typen, der uns erstmal ein kühles Getränk schenkte. Er erzählte uns, dass er ein paar Tage in der Wildnis sein wollte, um griechisch und hebräisch zu lernen. Diese sehr bunte Vielfalt an Leuten, die man auf dem Trail trifft, fanden wir mal wieder klasse und auch das Pärchen vom letzten Shelter kam noch dazu, so dass wir sehr breit gefächerte Gesprächsthemen hatten. Am frühen Abend gabs dann ein heftiges Gewitter und wir waren sehr froh, ein Dach über dem Kopf zu haben. Der Regen hörte auch am nächsten Morgen nicht auf und wir stapften mal wieder in voller Montur los. Bis zum Headquarter Office am State Park wars zum Glück nicht sehr weit und dort trockneten wir uns ein wenig und 2Tall versuchte noch per Telefon etwas über eine neue Isomatte heraus zu bekommen. Aber leider gabs keine neuen Infos und so musste ich noch etwas auf dem deformierten “Ballon“ aushalten. 2Tall hatte sich aber bereit erklärt, eine Nacht auf dem "Monster" zu übernehmen, so dass ich eine ruhige Nacht auf seiner Matte verbringen durfte. Das waren gute Aussichten... leider gabs fürs Wetter überhaupt keine guten Aussichten und wir mussten uns richtig durch den Regen kämpfen. Es war heftig, aber wir hielten bis zum nächsten Shelter durch und stoppten nur mal kurz bei einem Parkplatz auf der Damentoilette, wo es ein trockenes Plätzchen gab und wir ein paar Nüsschen aßen. Am Shelter hatten wir dann 13 Meilen (21km) gemacht und waren natürlich ganz schön geschafft. Hoba war schon da und begrüßte uns freundlich. Wir hatten ihn ein paar Tage vorher kennengelernt und freuten uns, ihn wiederzusehen. Mit ihm teilten wir das Shelter, aber es kam auch noch eine große Gruppe Schüler, die glücklicherweise weit weg vom Shelter ihre Tarps aufschlugen. Die ganze Nacht schüttete es und wir waren erleichtert, nicht im Zelt schlafen zu müssen. Auch Mäuschen und Moskitos hatten diese Nacht frei und so hätte es gut werden können, wenn die kaputte Isomatte unter 2Tall nicht ungeheuren Krach gemacht hätte. Ich schlief wegen der Knarzgeräusche nicht gut und auch 2Tall hatte auf der Matte keine erholsame Nacht, schade eigentlich.
Aber das Wetter war am nächsten Morgen etwas besser und so nahmen wir die nächsten 14 Meilen in Angriff. Für mich fühlte es sich furchtbar an, morgens in die nassen, klammen Schuhe zu steigen. Fies. Aber wir wollten ja weiter und so mussten eben Opfer gebracht werden... Es gab auf diesem Teil sogar mal eine flache Passage, auf der wir gut voran kamen, ansonsten kletterten wir wieder über diverse Felsen, die uns ganz schön Energie raubten. Als wir am späten Nachmittag an der Campsite ankamen, hatte Hoba sein Zelt schon aufgestellt und auch eine Schülergruppe war mal wieder da. Auf dem Weg hatten wir drei andere Gruppen getroffen, die irgendwie die gesamte Gegend durchzogen. Wir waren ziemlich ko, machten Essen, bauten das Zelt auf und sobald es dämmrig wurde, gingen wir ins Zelt. Uff, das war ein heftiger Tag, aber wir waren auch stolz auf uns, dass wir das geschafft hatten.
Am nächsten Tag sollte es nur zum Mohican Outdoor Center gehen, 6 Meilen, die auch nicht ganz easy waren, aber die Aussicht auf eine Dusche und eine Übernachtungsmöglichkeit trieben uns voran. Es war nicht so ganz, wie wir es erwartet hatten, aber wir erholten uns ein wenig und genossen den Kontakt in die Außenwelt über das WiFi. Hoba trafen wir dort auch nochmal, wir erzählten noch etwas und freuten uns sehr, dass er uns noch seinen Alkohol für den Kocher schenkte, denn leider hatte das Outdoor Center nichts mehr, wie enttäuschend.
Fazit: Wundere dich nicht über betrunkene Hotelbesitzer am Morgen, man kann auch hebräisch und griechisch lernen, wenn man unter einer Plastikplane in den Appalachen zeltet, die Meilen dauern doch immer länger als man denkt und vieles, was man sich so vorstellt, kommt doch so ganz anders daher, trotzdem: happy trails!
(Good Grip, 9.9.2017)