Wanderungen auf Korsika
Korsika
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Wir hatten im Vorfeld ein paar Diskussionen, wie wir die Herbstferien gestalten wollten. Da gab es einen passionierten Streckenwanderer, der gerne wieder im deutschen Mittelgebirge Kilometer machen wollte. Und da gab es eine sonnenhungrige, wärmeliebende Meerschwimmerin, die den Sand zwischen ihren Zehen spüren wollte. Beide wollten wir ungern fliegen. Und so entschieden wir uns für Korsika, mit Auto und Fähre, und hofften, dort beides vereinen zu können. Wir lasen im Rother Wanderführer von tollen Touren, und der Campingplatz in Calvi war nur ein paar Schritte vom Strand entfernt.

Die Fahrt führte uns durch die Schweiz (Vignetten sind besser als Bezahlstationen) bis kurz hinter Mailand, wo 2Tall ein kleines Bed and Breakfast für die Nacht reserviert hatte. Wir waren von der langen Fahrt nicht nur müde, sondern auch ganz schön seekrank. Bevor wir die örtliche Pizzeria aufsuchten, machten wir erstmal einen Matratzentest und versuchten, unser vestibuläres System wieder zu beruhigen.

Die Pizzeria war ein riesiger Laden mit langen Tischen und mehreren verschiedenen Buffets. Wir hatten etwas Sorge, wegen einiger Feiern gar nicht reinzukommen, aber das war kein Problem und schnell saßen wir zwischen glitzernden Schokotorten, brüllenden Kindern und lauthals schreienden, angeschickerten Geburtstagsgästen. Wir hätten ein ruhiges Plätzchen bevorzugt, aber die Pizza war super und der Espresso riss sowieso alles raus. Es war definitiv so was von original italienisch, dass wir uns das Spektakel um uns herum gerne ansahen. Wir blieben aber nicht lange, wurden allerdings noch dezent darauf hingewiesen, dass wir unbedingt die Quittung wegen der Polizei mitführen sollten, falls wir überprüft würden... ah ja.

Der nächste Tag begann mit Nieselregen und Stau. Wir entschieden uns kurzfristig gegen die Anweisung des Navis und bogen auf die Autobahn nach Genua ab. Mit viel Regen, aber deutlich weniger Verkehr erreichten wir Genua und genossen danach eine Tunnel-, Brücken und Windfahrt... Vento forte!

Das Wetter wurde immer besser und in Livorno waren die Sonnenbrillen nicht mehr aufzuhalten. Die Wartezeit an der Fähre wurde zur Sonnentankstelle und um 13.15 Uhr durften wir endlich die Megaexpress 5 der Corsica Ferries befahren. Am trockenen und mit einem Netz abgedeckten Schwimmbecken machten wir es uns auf den Holzstühlen gemütlich, merkten aber bald, dass uns die Sonne ziemlich brutzelte. Am ersten Tag einen Sonnenstich, bitte nicht. Das Sonnendeck war übrigens voll mit Deutschen (wie immer) und obersüßen Hunden (ich will auch!), die sich erstaunlicherweise alle sehr ruhig verhielten. Das Geschaukele der Fähre war nicht mein Liebstes, aber ich schaffte es, ohne mir nochmal den Cappuccino "durch den Kopf gehen zu lassen".

Nach 4 Stunden gleichmäßiger Schaukelei kamen wir in Bastia an und schlugen sofort den Weg in die Berge Richtung Calvi ein. Es wurden noch kurvige 80 km, die 2Tall sehr sicher steuerte. Ich war sehr froh, die dunklen Straßen, nicht mehr fahren zu müssen. Gegen 20.15 Uhr kamen wir am Campingplatz La Pinede an und bekamen schnell den Schlüssel für unser Chalet. Eine sehr enge, aber durchdachte "Hütte" für mindestens 6 Leute. Mir ist allerdings ein Rätsel, wie das hier mit so vielen Menschen gehen kann. Wir hatten schon Probleme aneinander vorbei zu kommen. 2Talls "Spannbreite" ist übrigens so groß, dass er durch die schmalen Türen nur schräg gehen konnte.

In der Nacht brach ein mächtiges Gewitter los und ich hatte Sorge, dass uns die umstehenden Eukalyptusbäume aufs Dach fielen. Wir blieben aber trocken und wunderten uns über die großen Pfützen, die sich auf dem Gelände gesammelt hatten, 2Tall hatte übrigens von dem ganzen Spektakel nichts mitbekommen.

Wir genossen die frischen Croissants (dank eines kleinen Lädchens auf unserem Campingplatz) und wanderten dann am Strand entlang bis Calvi. Wenn mal die Sonne durch die Wolken blitzte, leuchtete die Zitadelle von Calvi und das türkisblaue Meer rundete das perfekte Bild ab. Es gab sogar hartgesottene Menschen, die in dem doch recht kühlen Wasser ihre Bahnen zogen, mir reichte allerdings schon ein Fußbad.

In Calvi schlenderten wir am Hafen entlang und sahen ein paar Yachten und die entsprechende Flaniermeile mit den Restaurants. Sehr gediegen. Wir gingen aber wieder zurück, nahmen keinen Aperitif am Hafen, sondern schlenderten an der Bahn entlang zurück, die direkt an der Küste von Calvi bis ins Landesinnere nach Corte tuckerte. Leider gab es an diesem Nachmittag viel Regen, so dass wir ausgiebig, lasen, schliefen und Tee schlürften.

Am Mittwoch hatten wir uns dann mit unseren Doppelkopffreunden, die zufällig auch auf Korsika weilten, an der Restonica Schlucht getroffen, um gemeinsam zum Lac de Melo zu wandern. Der Weg zum Parkplatz war schon spektakulär, und mit Kühen, Wanderern und entgegen kommenden Autos, war die schmale Straße, die zur Schlucht steil abfiel, eine Herausforderung für jeden... auch für die Beifahrerin.

Nach einigem Organisieren, "wer hat eigentlich die Sonnencreme...und gibt es hier auch eine Toilette...?" starteten wir immer bergauf gen Bergsee durch hochalpines, waldfreies Gelände. Unsere drei Mitwanderer machten irgendwann eine längere Pause und wollten dann auch vorzeitig zurück. Wir kraxelten noch das letzte steile Stück zum See hinauf und genossen am kristallklaren Wasser unser Brot.

Leider wurde es ohne Sonne ziemlich schnell kalt, und nach nur 20 Minuten Pause machten wir uns auf den steilen Weg bergab. Wir sahen auf den Steinen eine Blutlache und hofften, dass es keine Schwerverletzten gab. Unten an der Bergerie hörten wir dann von einer Platzwunde an der Stirn, die sich ein älterer Herr auf dem Abstieg zugezogen hatte. Das Gelände war nicht so einfach und wir waren erstaunt, dass Menschen in Sandälchen oder mit Säuglingen auf dem Arm so einen Weg gingen.

Unsere drei Mitwanderer saßen schon mit Kaffee und Schnitzmesser draußen an der Bergerie als wir eintrafen und wir genossen die letzten Sonnenstrahlen, die auf die Schlucht fielen. Zusammen fuhren wir nach Corte, um die Altstadt zu erkunden und noch ein gemeinsames Abendessen in einem Kellergewölbe einzunehmen. Das war ein toller Tag!

Leider sah der Wetterbericht für Donnerstag und Freitag extrem schlecht aus, aber am Morgen konnte ich glücklicherweise trocken noch eine kleine Laufeinheit am Strand machen. Am Strand joggen ist einfach genial!

Mittags fuhren wir in Richtung Ostküste, um unsere Freunde in ihrer schönen, großen Ferienwohnung zu besuchen. Um 15 Uhr trafen wir uns in Aleria am römischen Museum. Wir entschieden uns gegen das Museum, freuten uns aber über einen kurzen Strandspaziergang nach der langen Fahrt. Das Meer war stürmisch und der Regen kräftig, so dass wir wirklich nur kurz am Ghisonaccia Plage blieben und leider nicht ganz bis zum Etang d'Urbino kamen. Danach wurde für den gemeinsamen Kochabend noch ausgiebig im Casino eingekauft, so dass jeder seiner Vorlieben frönen konnte, von Fleisch, über mediterranes Gemüse, über Orangina, Kastanienbier und natürlich Zitroneneis. Es wurde ein vorzügliches Abendessen!

Hinterher spielten wir noch ein paar Runden Doppelkopf und dank Anfängerglück, guter Karten und drei ausgezeichneter Lehrer und Lehrerinnen gewann ich mit 2 Punkten. Wow! Ich war selber überrascht und hinterher auch ein bißchen stolz. In der Nacht gab es wohl ein ziemliches Gewitter, aber ich träumte von Dullen und Hochzeiten, und 2Tall hatte sowieso Ohrenstöpsel drin... Da es auch am Morgen immer wieder regnete, aber trotzdem sehr warm war, verlegten wir das Frühstück auf die überdachte Terrasse und genossen Baguettes, Croissants, Pain au chocolats und literweise Café au lait... perfekt!

Es gibt nichts besseres als einen Roadtrip, wenn das Wetter komplett verrückt spielt. Wir genossen also eine Inseltour, die sich über knapp 6 Stunden hinzog, die aber aufgrund der Route grandiose Landschaften, steile kurvige Straßen und abgebrochene Bäume, zerrissene Leitungen , abgestürzte Felsbrocken boten.

Dann sollte das Wetter endlich besser werden und wir entschieden uns für eine Wandertour in den Bergen bei Bonifatu, nur 20km von Calvi entfernt. Ich war drauf und dran, keine Regenklamotten mitzunehmen, weil alles ja so grandios in der Wettervorhersage aussah, aber 2Tall bestand quasi drauf, was ein Segen war, denn nach ca. 25 Minuten wandern, fieselte es quasi permanent durch und die Sicht ging so gegen 25 Meter. Der Weg war toll, auch einige Höhenmeter bergauf (ca. 650m), aber Wolken und Regen vermiesten uns die Tour doch etwas. Sehr schade. Am Abend waren wir schon etwas frustriert und genervt, aber die Klimaanlage konnte uns wenigstens etwas durchwärmen und unsere Klamotten trocknen.

Dann gab es am Sonntag endlich, warme Sonne... sogar während unserer Flußwanderung im Fangotal. Vorher schauten wir uns aber noch die tolle Aussicht über Calvi von der Kapelle "Notre-Dame de la Serra" an und bewunderten die bizarr geformten Granitblöcke "tafoni".

Das Fangotal hatten wir fast für uns allein, insgesamt sahen wir vielleicht 6 Leute und ein paar Geckos, ansonsten war es sehr ruhig. Wir gingen bis zur Ponte Vecchiu, aßen unser Knäcke und ein paar Kekse, bevor wir denselben Weg wieder zurückgingen. Aber diesmal mit einem Stopp für ein Fußbad, was leider nicht allzu lange andauerte, weil das Wasser eisig und extrem erfrischend für die Zehen war. Das war eine tolle Tour, auch wenn wir 2x denselben Weg gingen. Das klare Wasser, das wunderbare Flusstal, die Tour Nr. 15 im Rother Wanderführer ist absolut zu empfehlen. Nur die Pizzeria an der Brücke gibt es wohl ausschließlich in den Sommermonaten.

Küstenwanderweg am Montag. Vom Col de la Croix nach Girolata. Diese Tour hörte sich besonders toll an, weil man nach Girolata nur per Boot oder zu Fuß kommt. An der Passhöhe Bocca a Croce ging es bergab im Schatten los. Es war ein wunderbarer Weg, bis auf die Schlange, die sich am Wegesrand schlängelte und die mich doch etwas beunruhigte, aber auf den weiteren Kilometern trafen wir dann nur noch Geckos. Wir stiegen bis zum Plage de Tuara ab und bewunderten das blaue Mittelmeer. Auch die gegenüberliegenden Felsen leuchteten rot in der Sonne, was einfach grandios aussah. Unten am Strand entschieden wir uns für den Chemin du Facteur, der deutlich reizvoller, aber auch steiler war. Die Blicke auf Girolata wurden immer besser und als wir am Strand im Örtchen ankamen, sonnte sich schon die erste Kuh am Beach, sehr idyllisch.

Wir konnten nur erahnen, wie voll es wohl im Sommer sei, um diese Zeit war es, auch wenn nur ein kleines Café auf hatte, einfach herrlich leer.

Nach einem Café au lait und 2 Fläschchen Orangina, machten wir uns wieder auf den Rückweg, nahmen aber diesmal den inländischen Weg, der bot etwas mehr Höhenmeter und war nicht ganz so spektakulär. Der "finale Schlussanstieg" ließ uns aber nochmal ganz gut schwitzen. Als wir am Auto ankamen waren wir salzig, aber auch zufrieden ermattet. Leider stand uns noch eine etwas kurvige Fahrt bis Calvi bevor. Aber 2Tall hatte sich an die Pisten auf Korsika schon so gewöhnt, dass wir früh am Abend geschniegelt und geduscht vor unserer Pizza saßen. Neben dem kleinen Lädchen gab es nämlich auch noch eine Pizzeria, die zwar nicht günstig, aber dafür sehr lecker war.

Für unseren letzten Tag in Calvi zogen wir es vor, nicht noch eine Tour zu machen, sondern gemütlich für unsere Rücktour einzukaufen, die Post aufzusuchen, auf der Veramda zu lesen und auch endlich mal im Meer zu baden. Was für ein gemütlicher und versöhnlicher Inselausklang. Wenn es wettertechnisch noch so ein paar Tage gegeben hätte, wären wir sicher noch zufriedener gewesen ;-) So bleibt eine ziemlich lange Anfahrt, ein etwas enges Chalet auf einem guten Campingplatz, aber eine spektakuläre Insellandschaft im Mittelmeer. A bientot!

Eigentlich hatte ich diesen Text ja schon beendet, weil ich dachte, dass ich von der Fähr-und von der Rückfahrt wenig zu berichten hätte. Aber es passierte doch noch etwas Erstaunliches. Auf der Fähre saß neben uns ein Schweizer Familie und ich hatte gesehen, dass der Junge Gregs Tagebuch gelesen hatte. Als sich alle zu ihren Autos begaben, sah ich das Buch noch auf einem der Tische rumliegen. Wir nahmen es mit, weil die Fähre ja nicht voll besetzt war und ich hoffte, wir sehen die Familie beim Rausfahren. Dem war leider nicht so und so kurvten wir etwas durch Savona, bis wir auf der Autobahn Richtung Genua fuhren. Ich guckte in jede "Familienkutsche" mit Schweizer Kennzeichen und tatsächlich fuhren wir irgendwann an den Leuten vorbei. Ich hielt das Buch gegen die Scheibe und fuchtelte wild herum... Der Vater lächelte zwar, aber reagierte nicht so, wie ich gehofft hatte. Ok, dachten wir, dann hatte ich mich vielleicht doch getäuscht und es gehörte gar nicht ihnen. Wir fuhren weiter und wurden aber doch nochmal überholt mit einem Buch im Fenster. Das hatte ich dann zwar nicht verstanden, wir fuhren aber einfach mal auf den nächsten Parkplatz und tatsächlich wurde das Buch freudestrahlend von dem Jungen dankend entgegen genommen. Sind wir nicht toll?

(Good Grip, 7.7.2017)

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