Skandal! "Ein Jahr wandern" geht fremd - und fährt Fahrrad! Oder zählt etwa das "Radwandern" auch als wandern?
Wie auch immer, wir hatten beschlossen, im Sommer mal mit dem Fahrrad eine längere Tour zu machen. Wir starteten von Bonn aus den Rhein hinauf, und es hatte definitiv was, dass wir da einfach mit den Rad von zu Hause aus losfahren konnten, ohne erst irgendwelche anderen Verkehrmittel zu benutzen. Am ersten Tag, der schon richtig heiß war, erreichten wir Koblenz. Wasserverbrauch war bei mir (2Tall) über 8 Liter pro 100 km, obwohl wir ja immerhin den Fahrtwind hatten. Wir hielten während dieser Tour überall, wo es ging, um unsere Wasserflaschen aufzufüllen oder sonstwie ein kaltes Getränk zu bekommen. An der Lahnmündung fanden wir ein kleines Hotel, aber wir konnten kaum schlafen, weil es so heiß war. Wir legten uns immer wieder Handtücher, die wir mit kaltem Wasser getränkt hatten, auf den Körper, aber es half fast nichts.
Am nächsten Tag radelten wir die Lahn hinauf, und es gab einige wunderschöne Abschnitte. Am besten gefiel uns der Teil, wo man eigentlich nicht radeln soll, weil es direkt am Ufer nur einen schmalen Pfad gibt, aber wir waren nicht die einzigen Radler, die sich hier durchschlugen, denn wer hat schon Lust, auf der Straße aus dem Tal zu klettern (was der offizielle Weg gewesen wäre). Gerade in dem Teil des Tals, wo es keine Straße gibt, ist es doch am ruhigsten und schönsten. Das fand auch die Entenfamilie, die sich direkt mit Good Grip anfreundete...
Wir verließen dann irgendwann durch das Seitental des Flüsschens Weil die Lahn und überquerten den Taunus, um an den Main zu kommen. Wir hatten Glück und fanden sogar ein bezahlbares Zimmer mit Klimaanlage, auch wenn Good Grip zunächst vom Personal recht unfreundlich empfangen wurde. Wer weiß, vielleicht lag es am verschwitzten, abgerissenen Aussehen? ;-)
Auch am Main hatten wir weiter Glück mit dem Wetter, es war zwar höllisch heiß, aber wir waren abends rechtzeitig im Hotel, um das Unwetter mit Starkregen aus dem trockenen Zimmer zu beobachten. Wir erreichten schließlich unser nächstes Zwischenziel, das romantische Taubertal, das seinen Namen wahrlich verdient hat. Auch Rothenburg ob der Tauber war sowas von romantisch, und die einheimischen Hotelbediensteten waren uns ebenfalls auf Anhieb sympathisch, denn sie duzten uns direkt und gaben ihre Vorurteile über Norddeutsche zum Besten...
Heiß wars immer noch, und so fuhren wir weiter über ein paar kleine Hügel hinüber zur Quelle der Altmühl, der wir dann komplett bis zur Mündung folgten. Hier erwischte uns zwar doch noch ein halber Regentag, aber abends in Eichstätt war schon alles wieder trocken. Nur waren wir etwas erschöpft und mussten uns am Buffet des örtlichen China-Restaurants wieder aufpäppeln, bevor wir dann in einer urig-bayerischen Pension einschliefen.
In Kelheim "gönnten" wir uns mal eine Nacht in der Jugenherberge und durften die üblichen Erfahrungen machen: Erstens gibt es zur Jugendherberge schließlich am Ende zu guter Letzt immer den finalen Schlussanstieg, zweitens gibt es immer eine Gruppe, die irgendwie die ganze Zeit lärmt und nervt, und drittens fühlt man sich im Speisesaal einer Jugendherberge doch sofort wieder ca. 30 Jahre zurück versetzt.
Am nächsten Morgen bestiegen wir samt Fahrrädern ein Schiff, das uns durch den Donaudurchbruch zum Kloster Weltenburg brachte, von wo aus wir noch eine gewisse Strecke die Donau entlang gondelten. Dieser Abschnitt war aber zeitweise recht langweilig und wurde nur durch bizarre Bahnübergänge aufgepeppt, wo die Schranken nur nach Anforderung und halbstündigem Warten aufgehen... und über die lange Bahnfahrt von Donauwörth nach Bonn und die Unfähigkeit der deutschen Bahn, die Fahrradbeförderung sinnvoll zu organisieren, schweigen wir hier besser.
Fazit: Eine Radwanderung ist auch eine Wanderung und eine gute Alternative zu den üblichen Wanderschuhen!
(2Tall, 23.4.2017)