In Blacksburg hatten wir es mit dem Days Inn gut getroffen. Das Frühstück war relativ abwechslungsreich und unser Fernseher zeigte das Deutschlandspiel. Die 4 Tore gegen Portugal bejubelten wir ausgiebig... Wir waren erstaunt über die Expertenrunden während der Halbzeitpause bzw. auch nach Spiel, denn dort saßen Michael Ballack und Ruid van Nijstelroy und sprachen mit hartem Akzent über die deutsche Mannschaft. O-Ton Ballack:" Müller is in the right time on the right spot, he has a nose for it.";-)
Am Montag Morgen entschieden wir uns den Daumen rauszuhalten und die 40 Dollar fürs Taxi zu sparen. Es dauerte nicht lange, da hielt eine Dame, die uns mit den Worten begrüßte, dass wir Bill Bryson für diesen Lift danken sollten. Sie hatte vor kurzem erst sein Buch "Frühstück mit Bären" gelesen, wo es um den AT und seine Hiker geht. Sie brachte uns direkt zum Trailhead, der eigentlich nicht auf ihrer Route war, aber sie kannte die Straße und tat uns mit ihrem Umweg von sage und schreibe 17 Meilen einen riesigen Gefallen. Es gibt Trailangel, die wissen gar nicht von ihren besonderen Fähigkeiten.
Wir warfen am Trailhead einen Blick zurück auf den neu gebauten Boardwalk, der eine geflutete Wiese überbrücken soll, und waren erstaunt, wie weit die beiden Trail Volunteers in den letzten Tagen schon gekommen waren. Kurze Zeit später kreuzten wir eine Schotterstrasse und entdeckten einen der beiden Männer. Er saß in der Sonne, hatte schon wieder die Kühlbox mit Getränken gefüllt und wartete auf durstige Hiker. Er erkannte uns von vor ein paar Tagen, und wir sprachen wie so oft über die hilfsbereiten Menschen entlang des Trails. Er wollte uns noch Getränke mitgeben, aber wir hatten unsere Flaschen ja gefüllt und es sollte ein kräftiger Anstieg folgen, der mit einer zusätzlichen Dose im Gepäck quasi nicht zu schaffen wäre...
Wir kamen an einer über 300-jährigen Eiche vorbei, die leider von Strommasten und Hikermüll umgeben war. Schade, denn dieser beeindruckende, große Baum hätte auf einer freien Wiese sicherlich nochmal mehr Eindruck hinterlassen.
Wir kraxelten einige Höhenmeter hoch, um dann am höchsten Punkt auf den Felsen einem Gewitter entgegen zu blicken, was sich auf den Klippen nicht so gut anfühlte. Eine Birke schützte uns ein paar Minuten vor den dicken Tropfen, aber dann mußten wir doch irgendwann unsere Ponchos anziehen. Es dauerte nicht lange, dann war der Spuk vorbei und die Lufteuchtigkeit um einiges angestiegen, uff, warme Angelegenheit. Ein weiterer Nachteil nach so einem Regen: Die Felsen sind nass, und bei schrägen, schiefen, zerklüftetem Trail wird das Wandern zur Rutschpartie.
Wir liefen bis zum Niday Shelter, wo uns 2 Typen begrüßten, die wir schon auf dem Weg getroffen hatten. Der eine kam uns beim ersten Mal schon so verändert vor und am Shelter war uns dann auch klar warum, da rauchte er sein Pfeifchen, in dem definitiv nicht nur Tabak war. Er konnte kaum sprechen, die Augen waren auf Halbmast und er wollte mit Mark übers Universum diskutieren, sehr bizarr und erschreckend zu sehen, was so ein permanenter Drogenkonsum aus einem Menschen machen kann.
Wir waren dann einige Zeit allein am Shelter, kochten unser Abendessen, bauten das Zelt auf und betrachteten den Regen aus dem Shelter heraus. Es kam noch ein weiterer Wanderer, der auch sehr fußballinteressiert war und mit dem wir alle Neuigkeiten zur WM austauschten. Erstaunlich, dass ein Amerikaner so viel von Fußball wußte, denn dieser Sport spielt hier eine eher untergeordnete Rolle. Wir gingen in unser Zelt, konnten aber nicht gut einschlafen, denn die Temperaturen waren einfach zu hoch, unsere Schlafsäcke viel zu warm und dann kamen auch noch diverse Hiker, die um uns herum ihre Zelte aufschlugen. Das Shelter war am nächsten Morgen voll und wir sehr erstaunt, dass so spät immer noch so viele Thru-Hiker unterwegs waren. Wir dachten nämlich schon, dass wir kaum mehr Leute treffen würden, weil es für sie sicher sehr knapp wird, rechtzeitig bis zum nördlichen Ende zu gehen, bevor Mount Katahdin im Oktober für den Winter geschlossen wird...
Für den nächsten Tag hatten wir uns ziemlich viel vorgenommen, aber am Ende des Tages wartete das Four Pines Hostel mit einer Dusche und kühlen Getränken auf uns, nur so überlebten wir die über 16 Meilen.
Wir starteten also etwas früher, wegen des langen Tages, und freuten uns erstmal über einen gemütlichen Abstieg zur Strasse und zum nächsten Wasser. Nach kurzer Zeit, es ging mal wieder bergauf, hörten wir einen "Plumps" von einem naheliegenden Baum und knackende Äste. Das war definitiv etwas größeres als ein Squirrel oder Streifenhörnchen. Ein paar Meter vor uns flitzte dann ein kleiner Bär über den Trail ins Gehölz. Unser erster Bär, toll, dachten wir, sah knuffig aus der Kleine... der Kleine? Hmm, und wo ist wohl Mama-Bär in dem Moment? Unsere Stimmen wurden lauter, Mark klatschte noch einige Male in die Hände, ich fing an zu singen, um alle Bären in der Gegend zu verscheuchen, aber wir sahen keine fellige Kreatur mehr. Wer weiß, von wo aus sie uns dann beobachteten...
Wir kletterten weiter den Hügel hoch und schwitzten wahnsinnig, Mark konnte in regelmäßigen Abständen seine Kappe auswringen und ich rutschte ständig an meinen Stöcken ab, weil meine Hände pitschenass waren. Haben wir schon mal so geschwitzt, außer in einer Sauna? Es war eine Tortur und die Salzkrusten waren an uns deutlich zu sehen.
An der nächsten Wasserstelle trafen wir auf Sectionhiker, die uns entgegen kamem und die ähnlich schwitzend und kaputt aussahen wie wir, die uns aber für die nächsten Meilen eine einfache Strecke voraussagten. Ich habe ihnen das tatsächlich abgenommen, wurde aber eines besseren belehrt, denn bis zum Dragon's Tooth wurde es sehr steinig, felsig und steil. Nix mit einfacher Strecke und so. Es sollte nach dem Fels, der tatsächlich wie ein steiler Zahn aussah, nochmal ziemlich fies werden, aber es gab Eisenstiegen, die uns den Abstieg ein wenig erleichterten. Nach so einem langen Tag, war dieser Abschnitt eine Herausforderung und wir waren froh, dass wir da gut durch kamen, denn ein paar Tage vorher hatte sich hier ein Wanderer den Fuß gebrochen, wie uns berichtet wurde.
Bis zum Hostel im kleinen Örtchen Catawba mußten wir noch etwas durchhalten und auch mit dem Zauberspruch "Abra Catawba" gings leider nicht schneller :-)
Ein kleines Stück noch auf der Straße, dann waren wir endlich am Hostel und sahen schon die ersten abgerissenen Typen, ja, das mußte es sein, wir waren angekommen. Der Besitzer des Hostels kam uns schwankend entgegen, er hatte wohl das eine oder andere kühle Bierchen gezischt. Wir könnten uns aussuchen, wo wir schlafen wollten, drinnen, in der Scheune oder draußen auf der Wiese... das wäre alles ok für ihn. Das Hostel war in dem Sinne kein wirkliches Haus, sondern bestand aus einer Doppelgarage, in der alte Feldbetten und Sofas standen, außerdem war das seine Werkstatt, allerdings auch mit einem kleinen Badezimmer und einer Kochgelegenheit. Es war mal wieder sehr bizarr, aber die Leute tiefenentspannt. Nur so? Oder von irgendwelchen Drogen? Das war uns zu dem Zeitpunkt egal, denn wir wollten uns nur die Salzkruste abduschen und etwas richtiges essen. Wir bekamen den Truck des Herbergsvaters geliehen und durften damit zur Tanke fahren, um dort zu essen und einzukaufen. Der Mann war wirklich sehr locker, Schlüssel steckt, kein Problem. Das war sehr genial, denn weitere 800 Meter konnte ich nicht gehen, ich hatte mir durch das Schwitzen ziemlich den Wolf gelaufen und machte jedem Pavian mit seinem leuchtenden Hinterteil Konkurrenz. Das Sitzen wurde dann allerdings auch zur Qual, aber was kann ein Mensch ertragen, wenn es um Nahrungsaufnahme mit kühlen Getränken geht...
Nach der Dusche suchten wir uns einen Platz in der Garage und ich war froh, mich dann auf dem Feldbett ausstrecken zu können. Ich hatte ein plötzliches Formtief mit Ganzkörperschmerzen, Frösteln und Unwohlsein. Keine Ahnung, was das war, aber Vitamin I (Hikersprache für Ibuprofen) mit Gatorade brachten mich dann wieder in Topform :-)
Wir schliefen unruhig in der Garage, es war sehr warm und die ratternden Ventilatoren machten die Luft auch nicht besser. Wir frühstückten am Morgen, packten unsere Sachen und freuten uns auf McAfee Knob, einem besonderen Punkt auf dem AT, weil quasi jeder Hiker diesen Felsen fotografiert.
Der Anstieg dorthin war leichter als erwartet, wir trafen einige Tageswanderer, die mal wieder von weitem zu riechen waren und die uns tatsächlich fragten, wo denn im Shelter die Mülleimer wären. Wir hatten ja schon einige kuriose Dinge mit Tageswanderern erlebt, aber diese Frage gabs noch nicht. Da nützen die festinstallierten Schilder auch nix mit den Worten: "Pack it in, pack it out". Für viele Menschen scheint es einfach ungewöhnlich zu sein, dass man seinen Müll nicht überall an jeder Stelle abwerfen kann.
Wir machten in einem Shelter auf dem Weg zum Knob eine Pause und ließen das Gewitter an uns vorbei ziehen, um dann oben bei super Wetter und einem genialen Blick die Gegend zu genießen. Der überhängende Felsen wurde auch von uns ausgiebig fotografiert und bei dem böigen Wind war es nicht ganz ohne Adrenalin am Rand zu sitzen und dabei entspannt auszusehen. Wir blieben eine Weile dort und waren hingerissen von der Aussicht. Das war etwas Besonderes, hier zu sein und wir waren in dem Moment froh, diesen Abschnitt des Trails noch in Angriff genommen zu haben. Bis zu unserem Shelter waren es nur noch 0.8 Meilen und als wir dort ankamen, waren wir erstaunt, dass noch keine anderen Hiker dort waren. Das sollte sich auch erst um 24 Uhr ändern. Wir waren gerade eingenickt, was bei der Hize und den vielen Mücken im Shelter gar nicht so einfach war, als die Leute ins Camp kamen. Zum Glück benutzen sie ihre Kopflampen mit dem Rotlicht, aber das Gemurmel und Rumkramen weckte uns dann doch auf. Am nächsten Morgen ärgerten wir uns sehr, dass wir nicht das Zelt aufgebaut hatten, denn Gesicht, Arme und Beine waren von Stichen übersäht und es juckte fürchterlich.
Wir wollten an diesem Tag nach Daleville wandern und machten uns deswegen bald auf den Weg, denn es war morgens schon warm und wieder sehr schwül. Das Wetter gab uns an dem Tag den Rest, wir tranken beide 4-6 Liter Wasser, gaben auch Elektrolyte dazu, aber irgendwie fühlten wir uns nicht fit. Wir hatten nix trockenes mehr am Körper und die Sonne stach regelrecht. In der Ferne hörten wir schon wieder das nächste Gewitter, aber es zog nicht zu uns, sondern hing am nächsten Ridge fest. Wir kamen dem Ort Daleville näher und die Straße dröhnte uns entgegen. Wir freuten uns, am Ort angekommen zu sein, aber dieser Verkehrslärm ist erschreckend, vor allem, wenn man tagelang nur Vogelgezwitscher, Regentropfen, Wind oder Gewitter gehört hat.
Wir brauchten nicht weit zum Howard Johnson Inn zu laufen, wir checkten ein und erkannten einige andere Hiker, die ebenfalls hier abgestiegen waren.
Das wars also für dieses Jahr mit dem Trail, wandernd zumindest, wir wollen hier aufhören und dann mit dem Auto Richtung New York fahren. Wir hatten uns für diesen letzten Abschnitt des Sabbatjahres einfach zuviel vorgenommen und mußten das leider auch deswegen mit einigen gesundheitlichen Problemen bezahlen. Aber es war trotzdem wieder eine besondere Zeit auf dem Trail und wir haben viele tolle Menschen kennengelernt, nicht nur Trailangel, sondern auch andere Hiker, denen wir für ihren Thru-Hike weiterhin alles Gute wünschen: Pälzer, Mr.Toad, Penguin with Squeaker, Cat, Kat, Pockets, Silver Bullet, Learning and Roots, Botany and Pending, Delaware, Atlas (male), Atlas (female), John, Hoff, Puzzle, Giggles, Alpine, Honeybun, Solo Amigo, Mama Bear, Deliberate, Ismael, Duck, Hawk, Zen, Twirls, Mowgli, Grizzleybear from Maine...
Macht es gut, ihr Lieben, es war toll, mit euch ein Stück zu gehen, das Shelter oder die Campsites zu teilen, bleibt Blasen- und Shint Splints frei und grüßt Katahdin von uns!
(Good Grip, 23.6.2014)