Welch Unterschiede es doch gibt, wenn man bereit ist, 10$ pro Nacht mehr zu zahlen! Im letzten Blogpost hatten wir ja berichtet, dass wir von Uncle Johnny's ins Super 8 Motel umgezogen waren. Wie gut, dass wir das noch gemacht haben, denn wir hatten dadurch nicht nur ein sauberes und ruhiges Zimmer, wir konnten auch noch einen alten Teil der Stadt Erwin kennenlernen. Nicht, dass uns dieser Stadtteil tief beeindruckt hätte, denn diese kleinen Städtchen wirken oft völlig verwaist, und die Läden, wenn es denn noch welche gibt, haben keine Skrupel, ihre verblichenen und staubigen Dinge im Schaufenster zu präsentieren. Selbst die Apotheke wirkte wie aus den 80ern und wir fanden nicht das Gewünschte.
Unser Tag aus Erwin heraus startete wieder am Trailhead bei Uncle Johnny's, dem wir aber zügig den Rücken kehren konnten. Wir mußten über Fluß und Bahngleise und waren froh, dass nicht ein langer Güterzug gerade an uns vorbei rauschte. Wir hatten diese Züge oft in und um Erwin gehört und die Anzahl der Waggons war beeindruckend.
Die Temperaturen waren schon am Morgen ziemlich sommerlich und wir schwitzten mächtig, als es aus dem Tal wieder raus ging. Am ersten Shelter trafen wir das Pärchen mit den 2 Hunden, die ebenfalls schlechte Erfahrungen bei Uncle Johnny's gemacht hatten und dann sogar mit ihren Hunden ins Super 8 gezogen sind. Es liegt also nicht immer nur an den meckerigen Deutschen, die zu hohe Erwartungen haben...
Der Weg zog sich weiter durch einen schattigen Wald, und irgendwann mußten wir mal wieder eine Straße kreuzen, und Trailangels hatten an alle Hiker gedacht und diverse Leckereien von Wendy's besorgt. Neben Chicken-Burgern und Chicken-Nuggets gabs aber auch noch Getränke wie Saft, Bier und Kaffee. Toll! Warum machen diese Menschen das? Einfach so aus Nettigkeit.
Wir trafen mal wieder Running-Nose, den Physio aus Niederkassel, der immer noch mit seinem Schienbeinkantensyndrom zu tun hat. Mein Kinesiotape lehnte er ab, weil er daran nicht glaubt... pah, dann eben nicht.
Auch sahen wir noch kurz Toad und Penguin, die aber gerade aufbrachen, als wir eintrafen. Mr. Toad hat sich in Erwin eine Kniebandage gekauft und war nun ganz happy damit. Die vielen Gelenkprobleme, die wir hier antreffen, sind schon erschreckend, und ich frage mich, ob die Leute sich nicht ziemlich überfordern mit dem schweren Rucksack, den vielen Tagesmeilen und quasi null Wandererfahrung.
Nach 2 Burgern, Nuggets und einem Tässchen Kaffee gings auch bei uns weiter, denn wir hatten noch einige Meilen bis zur Low Gap Campsite vor uns. Der Zeltplatz war ganz idyllisch, wenn man von der schrägen Hanglage mal absah. Es waren nur ältere Leute an diesem Abend um uns herum und wir waren schon etwas irritiert, aber bis zum nächsten Shelter hätten wir noch einen fiesen Aufstieg bewältigen müssen, und wir entschlossen uns, diesen für den nächsten Morgen aufzubewahren. Außerdem hatte 2Tall immer noch 'ne Rotznase und die sollte gestoppt werden.
Am Abend jonglierte noch ein Wanderer mit seinem Hammock und Schlafsack und prompt rollte die kompakte Schlafsackkugel den gesamten Hang hinunter. Ich habe diesen älteren Herren noch nie so schnell auf dem Trail gesehen, aber in dieser Situation nahm er richtig Fahrt auf. Amazing, was ein Schlafsack bewirken kann.
Am nächsten Morgen ließen wir uns Zeit, wie waren die Letzten auf dem Campground und konnten ganz gemütlich den Berg in Angriff nehmen. Der Aufstieg war ausgeruht gut zu machen, leider wurde der Abstieg an einer unspektakulären Stelle für mich zum Verhängnis. Denn eine Baumwurzel packte meinen rechten Fuß, der Linke fand keinen Halt und da lag ich im Staub. Mit dem festgeschnallten Rucksack fiel ich wie ein Maikäfer auf den Rücken und rührte mich erstmal nicht, denn der Schock und der dumpfe Schmerz an diversen Stellen hielten mich davon ab, irgendetwas zu tun... Mark war sofort zur Stelle, half mir auf und zusammen begutachteten wir meine abgeschürften Stellen. Die Knie waren zwar blutig, aber taten gar nicht so weh. Unangenehm schmerzhaft war der rechte Oberarm, mit dem ich irgendwie am Hang gebremst habe. Inzwischen hat sich ein stattlicher blauer Fleck entwickelt, der zwischen ungewaschener Stelle und sehr schlechtem Tattoo changiert. Ich hatte noch ziemlich Glück, aber so ein Erlebnis ist traumatisch. Ich war danach ziemlich wackelig auf den Beinen und auch einige Tage später gehe ich immer noch extrem vorsichtig bergab und traue mich noch nicht wieder, so richtig auszuschreiten.
Am nächsten Shelter wurden mir dann erstmal Feuchttücher von einem Hiker gereicht, damit ich mich etwas reinigen konnte. Das fand ich sehr nett, leider habe ich mir das Gesicht nicht gemerkt, sonst hätte ich mich später nochmal bedankt, aber da befand ich wohl noch in der Schockphase.
Das Laufen ging mit den dumpfen Schmerzen dann fast besser als das Stehen oder Sitzen, und so ging es weiter bis zum nächsten Shelter, wo wir kurz vor dem Regen eintrafen und auch noch gute Schlafplätze bekamen. Leider waren wieder einige Menschen da, die auch schon kräftig getankt hatten, denn es wurde blöd gekichert oder hysterisch gelacht. Es hörte sich in meinen Augen übertrieben und nicht echt an.
Es ist für uns immer wieder erstaunlich, was einige Hiker auf dem Trail brauchen, neben flüssiger und fester Nahrung versteht sich. Sobald sie morgens losgehen, wird der MP3 Player so hoch gefahren, dass auch andere Menschen bequem mithören können. Vorher werden zum Frühstück aber auch noch ein paar Pillen eingeworfen, möglichst viele, möglichst bunt und nach einem langen Tag gibt es dann am Spätnachmittag den Joint und das Fläschchen mit Whisky macht die Runde. So schlimm ist der Trail nun auch nicht :-) aber die Konfrontation mit seinen Gedanken und seinem Körper ist deutlich. Vielleicht wollen manche Hiker das nicht sehen, es ist ihnen unheimlich. Mir kommen auch komische Gedanken, ich träume extrem oder Erinnerungen aus der Kindheit werden wieder klarer, die ich schon längst vergessen hatte. Aber das ist eben auch der Trail. Wir sind den ganzen Tag in Bewegung und da kommen auch diverse Gedanken in Bewegung, die sich wieder ins Bewusstsein drängen, die schon lange tief vergraben waren.
Ein besonderes Shelter wartete am nächsten Tag auf uns, eine alte Scheune wurde so umgebaut, dass diverse Hiker unten mit Blick ins Tal oder auf dem Heuboden oben nächtigen konnten: das Overmountain Shelter. Welch ein schöner Platz für ein Shelter und diesmal sogar groß genug für alle! In dieser Nacht waren ca. 20 Wanderer dort und es war ruhiger als in deutlich kleineren Sheltern, allerdings schwankte der Heuboden so stark, wenn jemand zum Privy ging, dass ich in der Waagerechten fast seekrank wurde. Ja, endlich gab es auch mal ein Privy, zwar ohne Tür, damit man den Blick in die Landschaft genießen konnte, aber ich hätte die Privatsphäre dem schönen Blick vorgezogen...
Letzter Teil dieser Section, 10 Meilen, fast nur bergab, zum Harbour Mountain B&B and Hostel. Das Zimmer hatten wir reserviert, und auch wenn es nur eine primitiv umgebaute Scheune war, wurde es mit den Leuten ganz unterhaltsam. Die Hikerbox war gut bestückt und wir konnten uns bei Kaffee und Cupcakes ein bißchen ausruhen. Townstops sind toll!
(Good Grip, 13.5.2014)