Nach einem Zero in Gatlinburg ging es mit Trailangels zum Newfound Gap. Wir hatten uns zwar beim Outdoorcenter für das Shuttle eingetragen, aber das nette Ehepaar war schon um 9.30 Uhr da und lud alle Hiker einfach ein. Der Mann und der Sohn der Familie hatten vor 12 Jahren einen Thru-Hike geplant. Der Vater fing sich allerdings Guardia ein und mußte vom Trail. Der Sohn ging aus Solidarität auch nicht weiter und kurze Zeit später wurde gerade noch rechtzeitig ein Hirntumor bei ihm festgestellt. Er hat den Tumor überlebt und aus tiefer Dankbarkeit macht dieses Ehepaar regelmäßig Trailmagic für die Thru-Hiker auf dem AT. Mal wieder eine typische Geschichte vom Trail...
Wir starteten bei super Sonnenschein mit vielen Tageswanderern vom Gap, die auf dem Weg zum Charlies Bunion waren, einem felsigen Stück in den Smokies, mit super Aussicht. Wir gingen aber daran vorbei, weil die Menschenmassen uns zuviel waren. Etwas weiter trafen wir auf einen Ridge-Runner-Ranger, der mit uns ein kleines Schwätzchen hielt. Wir liefen ebenfalls auf dem Grat und es wurde ein toller Weg mit genialen Ausblicken. Wir wanderten knapp 16 Meilen bis zum Tri-Corner-Knob-Shelter und hofften, dort noch einen Platz zu bekommen. Wir waren ziemlich k.o. und fanden an dieser Übernachtungsmöglichkeit diverse Sectionhiker, die das gesamte Shelter schon in Beschlag genommen und zugemüllt hatten. Aber sie waren bereit, ein wenig zusammen zurücken und so fand ich auf der unteren Ebene und Mark über mir eine Möglichkeit, die Isomatten auszulegen. In den Smokies darf man eigentlich nur in den Sheltern übernachten und nicht zelten, aber diese waren immer überfüllt und deswegen standen auch immer Zelte herum.
Im Shelter trafen wir auch "Walking home" und später kamen noch "Running Nose" und "One" dazu, die ich schon in Gatlinburg im Motel kennengelernt hatte. "Running Nose" kommt übrigens aus Niederkassel und ist erst vor ein paar Wochen in Rente gegangen. Von anderen habe ich gehört, dass er auch Physio ist und eine eigene Praxis hatte. Das hat er mir natürlich nicht erzählt...
Die Nacht wurde mit den vielen Menschen in einem Raum recht unruhig und irgendwo raschelte immer irgendjemand mit seinem Schlafsack oder seiner Isomatte herum. Geschnarcht, gefurzt, gerülpst wurde auch wieder in allen Tonlagen- I wasn't very amused about this.
Am nächsten Morgen ging der erste Wecker um 6 Uhr, wir standen aber wie immer um 7 Uhr auf und hatten die Füße um 8.15 Uhr auf dem Trail. Es war wieder sonnig und bald auch sehr warm. Vorbei ging es an einem Flugzeugwrack, nähere Umstände oder Absturzdaten sind uns nicht bekannt, und wiederum an vielen schönen Aussichten in die umgebende Landschaft. Die Smokies haben uns an den letzten beiden Tagen extrem gut gefallen und wir sind froh, dass wir diese Gegend bei so wunderbaren Wetter genießen konnten.
Bevor wir an unserem nächsten Shelter ankamen, mußten wir in einem langen Abstieg von den großen Höhen hinunter. Diese steinigen Etappen bergab sind sehr anstrengend und ermüdend, aber als wir 2 Reiter trafen, war meine Müdigkeit weg, denn der Duft der Pferde war einfach betörend. Wir hatten auf dem Weg schon viele Hufspuren und Pferdeäppel gesehen, aber die beiden Quarterhorses tatsächlich zu treffen, war klasse. Ich fands super!
Das Davenport-Shelter für diese Nacht war mit einem Maschendrahtzaun eingerichtet und es fühlte sich etwas komisch an, durch diese Karos in die Landschaft zu blicken. Aber wenns uns denn vor den Bären schützt, die wir bisher noch nicht gesehen haben, soll es uns Recht sein. Es gab wohl diverse Shelter mit diesem Schutzkäfig drumherum, aber sie wurden wieder abgebaut, weil die Leute nämlich auf die Idee kamen, die Bären aus diesem sicheren Käfig heraus zu füttern. Unfassbar, worauf die Zweibeiner so kommen, denn die Bären mußten dann natürlich getötet werden. Unfortunately a fed bear is a dead bear...
Da wir am nächsten Morgen nur die 4 Meilen bis zum Hostel, "Standing Bear Farm", gehen wollten, konnten wir uns etwas Zeit lassen. Wir schlenderten gemütlich voller Vorfreude zum Hostel und wurden dort von einem Typen begrüßt, der ziemlich fertig aussah und ein T-Shirt trug, auf dem Werbung für ein Rehabilitations-Zentrum gedruckt war. Es bleibt die Frage, ob er als Ex-Alki oder Drogi dort Patient war oder dieses Shirt aus der Hiker Box genommen hat, weil ihm die Farbe so gut gefiel...
Das Hostel war eigentlich nicht mehr als ein großes Shelter mit Privy und Außendusche, einigen Bunkrooms und einem Laden mit diversen ungesunden Hiker-Naschereien. Ich hatte mich so auf Dusche, Waschmaschine und ein Bett gefreut, aber so musste ich mich mit einem Waschbrett, einer Tropfsteinhöhle und einem durchgelegenen Sofa zufrieden geben. Immerhin hatten wir unsere Ruhe im Baumhaus, was wir als Ehepaar noch bekommen haben.
Aber wenn wir die 3 Schritte, die in dem Raum möglich waren, machten, schwankte das Teil wie bei einem Tornado. Ich sah mich schon des Nachts auf den verwanzten Hundezwinger fallen, aber es blieb stehen und wir hatten eine ruhige Nacht. Den Nachmittag verbrachten wir übrigens schwitzend und essend auf der Terrasse. Immer wieder machte ich eine kleine Einkauf-Session und die Summe, die wir am Ende bezahlten, war schon erschreckend. Es wurde klar, wie sich das Hostel am Leben erhält :-0
Die Wettervorhersage für den nächsten Tag war hundsmiserabel, aber noch einen Tag länger in diesem Etablissment? No way... Wir starteten mit unseren Ponchos und entgegen aller Prognosen wurde es wärmer und auch trockener. Wie gut, dass die Meteorologen hier in den USA genauso schlechte Wetterprognosen machen wie in Deutschland.
Auf dem Weg trafen wir noch "AZ", der an diesem Tag Slackpacking machte und der mir irgendwie bekannt vor kam. Schon im Standing Bear Hostel grübelte ich darüber nach, woher ich ihn kennen würde. Und dann im Wald endlich fiel es mir ein. Vor 2 Jahren lernten wir ihn im "Hikers Welcome Hostel" in New Hampshire kennen. Er kraxelte damals mit seinem Wanderbuddy wie wir bei ganz fiesem Wetter den Mount Moosilauke hoch... in diesem Jahr plant er den kompletten Thru-Hike, er ist wohl wie wir ein Wiederholungstäter, was den AT angeht.
Schönster Abschnitt dieser Etappe war übrigens "Max Patch", eine Bergkuppe, die einen sagenhaften 360 Grad Rundumblick bietet. In dem Moment, wo wir oben angekamen, schob sich tatsächlich die Sonne durch die Wolken und wir waren ganz schön beeindruckt von der Landschaft *seufz*!
Als wir am Roaring Fork Shelter ankamen, waren wir erstaunt, dass es noch so leer war. Sollten die Massen etwa noch kommen, oder könnte es jetzt doch endlich mal etwas ruhiger werden? Mr. Toad, Penguin, Red Robin und Easy Rock trudelten noch ein. Red Robin wandert wie Mr. Toad und Penguin für einen guten Zweck und sie hat schon über 4000$ für die weitere Forschung und Therapie bei ALS (amyotrophe Lateralsklerose) gesammelt. Beeindruckend. Wer dafür spenden möchte, findet nähere Infos unter: www.crowdrise.com/alstakesahike
Für den nächsten Tag hatten wir uns "nur" 14 Meilen vorgenommen, denn wir wolllten erst am 1.5. ins Städtchen Hot Springs gehen, wo wir im Laughing Heart Hostel bei "Chuck Norris" (ein ehemaliger Thru-Hiker) eine Reservierung vorgenommen hatten. Aber es kam mal wieder alles anders. Wir kamen nämlich ziemlich gut voran und saßen um 15 Uhr am Abzweig unseres Ziel-Shelters mit AZ und Red Robin auf einigen Baumstämmen, um uns auszuruhen und mal wieder Wasser aufzufüllen. AZ sprach von dem leckeren Burger, den er abends in Hot Springs essen wollte und auch Red Robin wollte weiterlaufen, weil es ja noch viel zu früh zum Stoppen wäre. Das Burger-Thema hätte nicht angesprochen werden dürfen, denn wir konnten nicht mehr klar denken und auch die Magensaftproduktion war in vollem Gange. Wir 4 verabredeten uns für 18 Uhr beim Diner in Hot Springs und so ließen wir das Shelter links liegen und begaben uns auf die letzten 3.5 Meilen. Es wurde eine ziemliche Quälerei, denn es ging lange bergab und unsere Zehen hatten die Tendenz, vorne auszusteigen. Mann, was taten mir die Füße weh, aber nach über 28 km dürfen sie das... Wir bekamen glücklicherweiwe noch ein Zimmerchen im Hostel, weil Red Robin netterweise draußen im Garten in ihrer Hängematte schlafen wollte. Das Hostel war mal wieder voll und die Ansammlung von vielfältigen Typen einzigartig. Es ist erstaunlich, unter welchen Umständen und mit was für Menschen wir hier manchmal hausen, aber das ist wohl Teil des AT Abenteuers.
Für den nächsten Tag stand das Übliche beim Townstop an: Wäsche waschen, Futterbeutel auffüllen, Wunden lecken... See you down the trail :-)
(Good Grip, 1.5.2014)