Der erste Tag auf dem ersten "Great Walk": Um 9.15 Uhr starteten wir vom Skotel in Whakapapa Village und mit uns noch ein paar Spaziergänger, die aber natürlich ohne einen größeren Rucksack unterwegs waren. Aber wir bekamen auf den ersten Metern schon einen Eindruck, dass wir hier Touristen sind, alle miteinander. Da wird nicht mehr viel gesprochen oder sich angelächelt. Jeder geht seinen Weg auf dem Schotterweg, einfach so. Es fühlt sich komisch an, wir vermissen jetzt schon die Community auf den Weitwanderwegen. Auch der geschotterte Weg ist erst einmal etwas befremdlich, aber bei den Massen an Menschen, die hier jährlich rumwandern, ist es wohl besser so, und die sowieso stark erosionsgefährdeten Wege werden vielleicht dadurch etwas besser geschützt. Je weiter es in Richtung Hütte ging, desto mehr Leute kamen uns entgegen, die hatten ihren Circuit auf diesem Teil schon fast beendet, aber die Gesichter waren leer, völlig emotionslos... wir waren irritiert. Hatten sie sich zuviel vorgenommen, fanden sie diesen Weg so schrecklich? Schwer zu sagen, warum es diesen Menschen beim Wandern nicht gut ging, wir haben den ersten Tag sehr genossen, auch wenn die Landschaft so völlig anders war als alles, was wir bisher in diesem Wanderjahr gesehen haben. Karg, hügelig, schneebedeckte Vulkankegel in der Ferne, allerdings bekommen wir ein Ahnung, warum der Neuseeländer sich diesen Teil des Landes für sein Filmepos "Lord of the Rings" ausgesucht hat.
Unsere erste Hütte "Waihohonu" ist übrigens brandneu und absolut im Deluxe-Style eingerichtet. Die Bunkbeds sind mit Matratzen ausgestattet, die eine weiche und eine harte Seite haben, es gibt Toilettenpapier auf den Plumpsklos und man kann sein Wasser auf einem Gasherd erhitzen. Die Panoramafenster mit den Ausblicken auf den Ngauruhoe und den Ruapehu waren umwerfend und das war an dem Nachmittag auch unsere Hauptbeschäftigung in der Hut: sitzen, schauen, staunen.
Der zweite, kürzere Tag ging über Lavafelder zur Oturere Hut. Der Weg war nicht anstrengend und mit dem starken Wind manchmal etwas frisch, aber zwischendurch hatten wir auch mal Sonne und da wir entgegen der sonst üblichen Richtung unterwegs waren, konnten wir den Weg fast allein genießen. In Oturere wurde es voll, alle Matratzen waren belegt und dementsprechend eng wurde es am Abend. Leider waren die Regenwassertanks leer und ich hatte mich etwas zu schnell und leichtsinnig bereit erklärt, das Wasser aus dem nahegelegenen Fluß zu holen. Das war eine ziemliche Kraxelei dorthin und an manchen Stellen hatte ich Sorge, dass weder ich noch unsere Faltflaschen den Weg zurück zur Hütte schaffen. Mit Angstschweiß und einem rasanten Herzschlag kam ich dann aber doch wieder heile an, so dass wir Tee und Abendessen ohne größere Verluste einnehmen konnten :-)
Der dritte Tag, die Königsetappe an den Kraterseen vorbei und mit mehreren hundert Höhenmetern rauf und wieder runter, sollte leider der Tag mit dem übelsten Wetter werden. Am Abend vorher informierte uns die "Warden" an der Hütte schon, dass es Gewitter und Hagel geben sollte, vom Weiterwandern über die Höhen hatte sie uns abgeraten, aber wir wollten am nächsten Morgen entscheiden, bevor wir unsere Buchungen für die Hütten alle hätten umplanen können.
Mit Prasselregen und voller Montur sind wir dann bei tiefhängenden Wolken los und wollten den Gipfel erstürmen in der Hoffnung, dass uns auf dem höchsten Kamm nicht doch noch ein Gewitter überraschen würde. Es wurde da oben dann ziemlich ungemütlich und wir mussten 2x das GPS bemühen, weil wir die Stangen, die den Weg da oben markieren, nicht mehr im Nebel erkennen konnten. Es war schon unheimlich und ich war ziemlich erleichtert, als es nach unten ging, obwohl das mit dem lockeren, nassen Lavagestein auch nicht ohne war. Das letzte Stück bis zur Hütte war derselbe Weg, den auch die Leute nehmen, die den berühmten Tagestripp das Tongariro Crossing machen. Uns kamen Menschenmassen entgegen, die trotz des schlechten Wetters in Jeans und Halbschuhen unterwegs waren. Bizarr und nicht ungefährlich.
Als wir in der Mangatepopo Hut ankamen, war der Gasofen schon an und hatte die Hütte wunderbar aufgewärmt. Wie toll, wir konnten unsere Klamotten trocknen und uns von dem heftigen Gang erholen. Später am Nachmittag gab es dann tatsächlich noch Gewitter und Hagelstürme und wir waren sehr froh, ein festes Dach über dem Kopf zu haben.
Auch diese Hütte wurde noch relativ voll und wir müssen uns auf die andere Atmosphäre hier wohl noch einstellen. Es sind hier eben keine Shelter und die Leute sind erstmal Touristen und keine Weitwanderer. Aber auch wir sind hier Menschen, die diese tolle Landschaft sehen wollen und es ist toll, dass wir dazu die Gelegenheit haben. Der Weg zurück ins Whakapapa Village verlief auf einem stark ausgewaschenen Wanderweg durch Dünenlandschaften. Wir waren wieder unter uns und konnten immer wieder einen sagenhaften Blick auf die schneebedeckten, klar sichtbaren Vulkankegel werfen. Das Wetter hatte sich wieder beruhigt und bei schönstem Sonnenschein konnten wir unseren ersten "Great Walk" beenden.
(Good Grip, 28.11.2013)