So, hier ist also der zweite Artikel, den wir heute veröffentlichen. Direkt unter diesem Artikel gibt es noch den über die 100 Mile Wilderness. Dort hatten wir natürlich keine Internetverbindung, darum gibt es heute aus Millinocket zwei Posts auf einmal. Und ziemlich viele Fotos... Enjoy!
Die Nacht nach den 100 Meilen Wildnis haben wir auf dem Abol Bridge Campground verbracht und wurden leider von den riesigen Trucks geweckt, die ab 5 Uhr morgens Unmengen an Holz über besagte Brücke transportierten. Unsere Campnachbarn mit ihrem Monster-Wohnwagen, dem riesigen Truck und einem Mördergrill vor dem Gesamtkunstwerk, hatten schon ein Feuerchen gemacht, an dem wir uns ein wenig aufwärmen konnten, denn die Nacht war ganz schön frisch... aber nachdem ich eine kleine Runde mit dem Husky unserer Nachbarn gespielt hatte, wurde mir wärmer und auch der Shop hatte dann endlich auf, um uns mit Frühstück zu versorgen. Kaffee und süße Teilchen... Teilchen ist dezent untertrieben, denn zwei Whoopie-Pies zusammen können stolze 740 kcal bieten. Noch wandern wir, noch dürfen wir uns diese Dinger ohne schlechtes Gewissen reinziehen!
Kurz nach dem Start bei Abol Bridge ging es zum Registrieren beim Ranger fürs Shelter am Katahdin. Nur die Leute, die den gesamten Weg von Georgia bzw. mindestens die hundert Meilen Wildnis gemacht haben, dürfen in das Shelter für schlappe 10 Dollar. Fair enough.
Die 10 Meilen bis zum Campground von Katahdin liefen bis auf eine etwas heikle Flußdurchquerung super, aber mit Crocs und Wanderstöcken schafften wir es dann doch durchs knietiefe Wasser. Schon am frühen Nachmittag waren wir am Katahdin-Stream Campground und die ersten Thru-Hiker auch schon wieder vom Gipfel zurück... die Verrückten haben es geschafft und sahen etwas erschöpft aus. Wie es bei denen jetzt wohl so weitergeht? Das muß ein komisches Gefühl sein, nach ca. 5 Monaten Trail endlich am Ziel angekommen zu sein.
Wir sind aber nach kurzen Gratulationen von unserer Seite erstmal zu den Rangern, um nach einem privaten Lean-To und den Tagesrucksäcken zu fragen. Und das Glück war uns noch nicht in irgendeinem Pond baden gegangen, ein Shelter ganz für uns und einigermaßen passende Tagesrucksäcke für den finalen Aufstieg. Bestens! So konnten wir die Plätze im Thruhiker-Shelter den "echten" Thruhikern überlassen und hatten tatsächlich ein ganzes niedliches kleines Shelter für uns allein.
Am nächsten Morgen sind wir um 7.15 Uhr gestartet, um genügend Zeit für die ganze Kraxelei zu haben, ein letzter Check vom Ranger: Regenkleidung, Taschenlampe, ausreichend Wasser und zu Essen? Einchecken mit Namen und Uhrzeit, dann durften wir los. Sanft war der Start, Steintreppen, das letzte Privy (Plumpsklo) auf dem AT, aber nach kurzer Zeit sollte es mit der richtigen Kraxelei beginnen. Mit beiden Händen an Bäumen hochziehen... das kam uns alles sehr bekannt vor und wir kamen mit unserer Technik ganz gut voran, die Day-Hiker haben wir sogar überholt, die Thru-Hiker allerdings schossen an uns vorbei, unfassbar. Der gesamte Aufstieg hat übrigens ca. 1200 Höhenmeter (!) und an einigen Stellen mittlerweile sogar Eisenhaken, weil man sonst auf die riesigen senkrechten Felswände kaum hochkäme. Wie an anderer Stelle schon gesagt: In den USA nennt man sowas Hiking (=Wandern), in Deutschland wäre das wohl eher ein Klettersteig ;-)
Je höher wir kamen, desto schlechter wurde leider die Sicht. Den Gipfel erlebten wir bei Nieselregen in den Wolken, was aber gar nicht so übel war, denn am Vortag gab es Gewitter und Eisregen, wie wir von einem Southbounder erfuhren.
Nach einigen Gipfelfotos haben wir aber nach einer halben Stunde den Rückweg angetreten, es war uns schon auch etwas zu voll dort und kalt wars außerdem. Nach ca. zwei Meilen geriet Good Grip ins Straucheln und legte sich auf dem felsigen und steinigen Weg leider voll auf die Nase. Es gäbe jetzt also einen neuen Trailnamen zu suchen, Good Grip passt ja irgendwie überhaupt nicht mehr... Es war ganz schön schmerzhaft, aber glücklicherweise gab es "nur" ein paar Schürfwunden und keine schlimmeren Schäden zu verzeichnen.
Nachdem wir für den Aufstieg knapp vier Stunden gebraucht haben, ging es runter in ca. dreieinhalb Stunden. Pünktlich um 15 Uhr stand Paul von der Hiker-Lodge in Millinocket vor der Rangerstation und packte uns mit weiteren 5 Hikern in seinen Van und los ging es ins ca. 20 Meilen entfernte, verschlafene Millinocket. Das Abendessen verbrachten wir wieder mit Helen, die wir in der Wilderness kennengelernt haben und die morgen wieder nach New York fahren wird.
Tja, das war es also, das nördliche Ende des berühmten AT. Wir sind stolz auf unsere Leistung von ca. 480 km in diesem Sommer. Das war ein ziemlich hartes Stück Trail, und wir sind sehr glücklich, es geschafft zu haben und können es irgendwie immer noch nicht ganz fassen! Wahrscheinlich war das direkt am Anfang schon die anstrengendste und aufreibenste Wanderung des ganzen Sabbatjahres ;-) Aber gut, wir brauchen jetzt sowieso erstmal Urlaub und freuen uns darauf, in Deutschland Freunde zu treffen und dann weiter zu reisen nach Australien und Neuseeland!
Morgen werden wir unsere Rückfahrt nach Boston organisieren, denn bald gehts zurück nach Frankfurt. Happy trails!
(Good Grip, 1.9.2013)