Pacific Crest Trail:
7. Von Trout Lake nach Cascade Locks
Zwei Tage verbringen wir in Trout Lake in einem besonderen Haus bei einer besonderen, älteren Dame, die uns für kleines Geld bei sich und ihrem Hund Maxx wohnen lässt. Wir haben es genossen!
Am Morgen unseres Starts laden wir aber noch unseren Trailangel zum Frühstück ein, weil er uns das Zimmer vermittelt und sehr viel gefahren hat. Wir sitzen draußen, essen Spiegeleier und Pancakes und reden miteinander, als würden wir uns schon ewig kennen. Das Leben kann so wunderschön und leicht sein.
Auf der Fahrt zum Trailhead sehen wir Mount Adams wieder fast klar, der Rauch hat sich verzogen, nur eine verwischte, dünne Wolkendecke liegt über seiner Spitze. Das sieht besonders aus.
Es ist ein sonniger, wunderbarer Tag und allen Northboundern berichten wir enthusiastisch, dass sie unbedingt nach Trout Lake müssen, weil es eine super tolle Trailtown ist. Wir kommen kaum vorwärts, weil wir so viele Leute treffen und ihnen von dem Örtchen vorschwärmen.
Mit einem Wanderer aus Israel unterhalten wir uns länger, weil er als Student durch die ehemalige DDR gereist ist. Er kann uns viele gute Tipps für die nächsten Abschnitte geben, denn da gibt es eine Sperrung wegen der Waldbrände und er empfiehlt die Timberline Lodge, in der sich selbst stinkige Hiker durch ein "All you can eat" Frühstücksbuffett essen können. Allerdings ist das mit 25$ pro Person auch nicht ganz billig.
An einer Wasserquelle wird Antje "mal wieder" von einer Frau angesprochen, die sie zu kennen scheint, denn Antje würde ja genauso aussehen wie... Sie kennt diese Sätze zu genüge, habe sie schon so oft gehört. Antjes Gesicht scheint es nicht nur in Deutschland mehrmals zu geben. Es ist jedesmal ein ganz seltsames Gefühl für sie, so etwas zu hören.
Wir kommen an diesem Tag, trotz der vielen Gespräche, gut voran und haben am Ende des Tages 14 Meilen gemacht. Unsere Campsite schlagen wir an einem See auf, der wunderbar aussieht. Man kann aber auch mit dem Auto hierher fahren, was uns nicht so ganz behagt. Aber am Abend fährt nur noch ein Campervan vorbei, dann sind wir allein und es bleibt auch weiterhin sehr ruhig.
Leider haben wir nun schon öfter die Erfahrung gemacht, dass Leute, die kürzer unterwegs sind oder sogar mit dem Auto direkt irgendwo hinfahren, mehr Müll hinterlassen als die Thruhiker. Wir wollen uns hier überhaupt nicht herausheben, wir sind ja auch alles andere als "zero waste" unterwegs. Aber wir nehmen das ganze Zeug wieder mit und vergraben unser Häufchen auch entsprechend tief. Dafür haben wir ja unseren Minispaten dabei. Keiner möchte beim Gang ins Gebüsch in irgendetwas treten, oder?
Leider fallen in der Nacht die Temperaturen enorm und am Morgen zeigt das Thermometer nur 6°C. Wir können den Temperatursturz kaum fassen und versuchen uns durchs Wandern etwas warm zu halten. Antje zieht sich noch ihre Ersatzsocken über die Hände, aber es bleibt den ganzen Tag eisig und extrem ungemütlich. Mann, das ist nicht unser Wetter.
Wir treffen wieder viele Northbounder, einige Sectionhiker und auch mal wieder Menschen, die eine Verbindung zu Deutschland haben. Ein Typ möchte mit uns gerne seine deutsche Sprache auffrischen und beginnt immer wieder mit neuen Themen. Es sind auch diese aufgeschlossenen Menschen hier, die den PCT besonders machen.
Eine größere Gruppe von Tageswanderinnen kommt uns entgegen und eine Dame, die vom PCT und von den Thruhikern so beistert ist, freut sich, dass wir uns treffen, fragt einiges und schenkt uns noch einen Energieriegel zum Abschied. Wie nett ist denn das bitteschön?
Wir laufen, trotz des Schietwetters über 15 Meilen und übernachten mal wieder, ganz allein, an einem Sheep Lake. Wir wissen gar nicht, der wievielte Sheeplake das schon ist. Hier gibt es aber gar keine Schafe weit und breit.
Diese nasse Kälte, wahrscheinlich die Schafskälte, ist immer sehr anstrengend für Antje und sie hat Schwierigkeiten, ihren Körper überhaupt auf Betriebstemperatur zu bringen. Am Morgen merkt sie außerdem noch leichtes Ziehen in der Magengegend, komisch, was kann das denn jetzt schon wieder sein?
Wie laufen erstmal los, es ist zwar noch kühl, aber das Wetter ist wieder deutlich besser und wir können vereinzelt blaue Flecken am Himmel entdecken. An der nächsten Straßenkreuzung hat ein ehemaliger Thruhiker mit dem schönen Trailnamen "Horse" Trailmagic aufgebaut. Wir freuen uns total und essen entweder zuviel, das Falsche oder beides... Denn kurz danach rebellieren Magen und Kreislauf enorm. Mark hat kaum Probleme, was gut ist, denn er muss Antje die nächsten beinahe 18 Meilen versorgen, betreuen, aufbauen und am Ende sogar noch ihren Rucksack tragen, weil sie kurz vor dem Kollaps ist.
Es ist eine Höllentour für Antje und den schönen Weg kann sie so gar nicht genießen. Als wir am Panther Creek Campground ankommen, ist sie wie ausgeknippst und es fühlt sich auch so an, als hätte sie leichtes Fieber. Sie legt sich relativ schnell ins Zelt und ist froh, dass sie hier irgendwie angekommen ist.
Der Zeltplatz ist ein Traum, auch wenn man hier mit dem Auto hinfahren kann und schon einige Plätze reserviert sind. Auch der Host scheint super nett, denn er schenkt uns zwei kleine Wasserflaschen, um Antjes Magen etwas Gutes zu tun.
Wir teilen uns ein Plätzchen mit einem super netten Sectionhiker, der leider northbound unterwegs ist. Schade, den würden wir gerne nochmal treffen. Mark und LWA unterhalten sich prächtig, während Antje sich im Zelt herumwälzt. Aber sie bekommt immer mal wieder Wortfetzen mit und hätte sich an dem Abend auch gerne mit den beiden an den Picknicktisch gesetzt und sich unterhalten. Immerhin kann sie LWA noch das typische deutsche Geburtstagslied beibringen, damit wir morgen früh gemeinsam für Mark singen können.
Und das klappt dann auch hervorragend. LWA spricht zwar nicht fließend deutsch, aber seine Großeltern sind als Juden im zweiten Weltkrieg vor den Nazis geflüchtet. Er hat also deutsche Wurzeln, versteht etwas, spricht daneben aber auch noch hebräisch.
Mark hat am nächsten Morgen seinen 50. Geburtstag und Antje hat neben einem kleinen Geschenk auch noch eine Kerze dabei und seine derzeitigen Lieblingsgummitiere. Das ist die Minimalausstattung für einen Thruhike, wenn auch nicht ganz würdig zu einem runden Geburtstag.
Wie bestellt, gibt es um die Mittagszeit aber auch noch Trailmagic von einer Frau, die sich ein paar Tage zuvor auf dem Trail eine Marschfraktur im Mittelfußbereich zugezogen hat. Sie kann nicht mehr wandern, möchte den Hikern aber etwas Gutes tun. Sie hat für einen Geburtstag alles an Bord: riesige Schoko-Cupcakes, Gatorade, Sprite, handtellergroße Schokokekse und diverse Tüten mit Süßkram.
Wir sitzen eine ganze Weile bei ihr am Auto, genießen die Sonne und auch Antje fühlt sich nach dieser Pause deutlich besser. Es gab nämlich auch ein paar Cracker und etwas Käse, an denen sie sich versucht hat, und die sie sogar vertragen hat.
Während wir da so gemütlich sitzen, kommt eine Wanderin aus Californien vorbei, die uns ihre Nummer gibt, als sie erfährt, dass wir Southbounder sind, damit sie uns helfen kann, wenn wir in ihrer Nähe sind. Das ist ja mal wieder grandios, denn das ist nicht nur so ein dahin gesagte Geste, mit ihrer Nummer wird es konkreter und wir freuen uns sehr, wenn wir sie wiedersehen würden.
Nach dem Trailmagic gehts erstmal bergauf und so ausgeruht und aufgefüllt geht es doch deutlich besser. Dann findet Mark am Wegesrand ein Smartphone und auf dem Bildschirm ist die Frau zu erkennen, die uns kurz vorher entgegen gekommen ist. Antje pfeift, ruft und läuft auch etwas den Trail herunter, aber sie hört es nicht mehr oder reagiert nicht. Während wir überlegen, was wir machen, kommt ein weiterer Thruhiker, nach Norden gehend, vorbei, dem wir das Telefon mitgeben. Wir beschreiben ihm die junge Frau und hoffen, dass es klappt. Wenn er sie nicht trifft, will er eine Nachricht auf die Guthook App setzen.
Etwas später erfahren wir von Quadzilla, einem Southbounder mit monstermäßigen Oberschenkelmuskeln, dass die Telefonübergabe wohl geklappt hat, denn er hat die beiden getroffen. Super, sehr beruhigend, denn ohne Smartphone ist man hier ziemlich aufgeschmissen.
Und dann treffen wir tatsächlich noch eine "alte Bekannte" wieder, die wir in der ersten Nacht nach Stevens Pass kennengelernt haben. Sie macht die Washington Section anlässlich ihres 50. Geburtstags (die Frau mit dem Campingstuhl) und wir freuen uns sehr, sie wiederzusehen. Sie kann sich auch an Marks Geburtstag erinnern und freut sich sehr, dass wir uns ausgerechnet heute hier begegnen. Es ist ein Geburtstag mit vielen tollen Menschen und wir glauben, genauso sollte es heute für Mark sein.
Und unglaublicherweise gibt es an einer Anhöhe sogar noch ein bisschen Handyempfang und Mark kann all die wunderbaren Mails lesen, die aus Deutschland zu seinem Geburtstag eingetroffen sind. Fantastisch!
Nach einem langen Stück wieder bergab und 15 Meilen unter den Füßen, kommen wir an unsere geplante Tentsite und sind entsprechend müde. Leider ist das nur ein kleines Plätzchen und es stehen schon vier Zelte herum. Wir fragen höflich, ob es noch einen Platz für uns gibt und zwei von den Thruhikern, Nobos, die gerade essen, raten uns, einfach weiter zu gehen. Wir würden sicher noch etwas anderes finden. An der Stelle, wo sie zum Essen saßen, hätte unser Zelt noch locker hingepasst, aber wir insistieren nicht. Sind über diese miese Trailetikette ziemlich erbost und laufen weiter. Manche Nobos sind leider doch etwas arrogant, weil sie schon so viele Meilen gegangen sind. Sie fühlen sich den Sobos überlegen, was natürlich irgendwie absurd erscheint. Aber so etwas haben wir auch noch nicht erlebt, selbst auf dem Appalachian Trail war in dem vollsten Shelter immer noch ein Plätzchen, und wenn die Leute quer am Fußende geschlafen haben.
Glücklicherweise finden wir kurz danach eine sehr ruhige Campsite, so dass der Geburtstag doch noch versöhnlich ausklingen kann. Es stehen ein paar sehr trockene Bäumchen herum, die Mark aber einfach umknicken kann, so dass wir ruhig schlafen können.
Am Morgen versucht Antje ihre Haferflocken etwas mit Peanutbutter aufzuhübschen, was aber leider komplett schief geht. Nachdem sie gestern ein paar Sachen vertragen hat, setzt ihr diese Mischung so zu, dass sie kaum gerade stehen kann. Der angegriffene Magen hat leider einen Rückfall. Das Wandern ist entsprechend anstrengend und nach 11 Meilen machen wir Halt für die Nacht. Wie gut, dass wir nicht weiter gegangen sind, denn um kurz nach 19 Uhr liegt Antje frierend im Schlafsack und schläft auch schon bald ein.
Leider gibt es hier kein Wasser und nachdem Mark das Zelt aufgebaut hat, läuft er nochmal eine Meile extra, um Wasser zu holen.
Am Morgen geht es Antje etwas besser und unsere Vorfreude auf Cascade Locks, die Bridge of the Gods, Oregon und all die Vorzüge eines Townstops ist riesig. Leider ziehen sich die 8 Meilen bis in den Ort noch. Der Weg ist steil, steinig und nicht sehr fußsohlenfreundlich. Wir wollen jetzt endlich ankommen und sind ziemlich genervt, dass wir wegen des holperigen Weges kaum voran kommen. In einer Pause werden wir noch von einem Hund angebellt, der wohl etwas irritiert ist, weil wir in seinem Revier auf dem Boden sitzen. Das fehlt jetzt noch, Hunde, die nur spielen wollen...
Eigentlich reicht das schon wieder an Zivilisationserfahrung, aber wir gehen natürlich trotzdem weiter, über die Bridge of the Gods und den Columbia River. Und das wird auch sehr spannend, als wir endlich an der Brücke ankommen. Denn wegen der Traildays ist die Stadt voll und die Brücke in die Stadt natürlich entsprechend belebt. Wir können kaum die Straße kreuzen und auf der Brücke gibt es keinen Fußgängerweg. Es ist eng und wegen der besonderen Brückenkonstruktion, einem Stahlgerüst, kann man direkt unter sich den Fluß sehen. Das ist ziemlich unheimlich, weil verdammt hoch und absolut nichts für Menschen mit Höhenangst. Der Sog in die Tiefe lässt es in unseren Beinen heftig kribbeln.
In Cascade Locks angekommen, gehts erstmal ins Restaurant mit einem super Blick auf den Fluss. Mark gönnt sich Hamburger und Fritten, auf die er sich schon so lange gefreut hat. Danach gehts ins Motel, wo wir zum Glück reserviert haben, denn die bezahlbaren Unterkünfte sind alle voll.
Antje geht direkt unter die Dusche, um den Staub und Schweiß der letzten sechs Tage abzuwaschen (was ziemlich lange dauert). Mark wagt sich noch aufs Gelände der Traildays, wo viele Stände von Wanderausstattern stehen, weil er hofft, ein paar Sachen zu bekommen, um unsere Ausrüstung zu reparieren und zu ergänzen. Er findet ein Sitzpad für Antje und eine Schnalle für seinen Rucksack... Das wars leider schon, denn vorwiegend werden Sachen nur ausgestellt, aber gar nicht verkauft. Schade.
Wir sind gerade sehr froh, diesen ersten Meilenstein auf dem Trail geschafft zu haben. Good bye Washington, hello Oregon!